KANBrief 4/19

Arbeitsschutz in Zeiten der KI

Die Akzeptanz für die automatisierte Entscheidungsfindung nimmt stetig zu. Maschinelles Lernen ermöglicht es Führungskräften inzwischen sogar, Personalentscheidungen auf Basis umfangreicher, algorithmisch vorselektierter Informationen zu treffen. Da es sich um völlig neue Technologien mit Vorreiterrolle handelt, ist es wichtig, nicht nur die Vorzüge für die Beschäftigten, sondern auch die Nachteile und Herausforderungen für den Arbeitsschutz im Blick zu behalten.

Der Begriff “künstliche Intelligenz” (KI) wurde in den 1950er Jahren geprägt, als Forscher eine Maschine dazu bringen wollten, sich so zu verhalten, wie es ein intelligenter Mensch tun würde. „Intelligenz” war zu dieser Zeit assoziiert mit der Verwendung von Sprache, der Entwicklung von Ideen sowie der Fähigkeit, sich selbst zu verbessern und Probleme zu lösen, die ursprünglich „dem Menschen vorbehalten“ waren (McCarthy, J/ Minsky, M. L./ Rochester, N./ Shannon, C. E. (1955): "A proposal for the Dartmouth Summer Research Project on Artificial Intelligence").

Zu Beginn war die KI-Forschung in erster Linie experimentell und befasste sich hauptsächlich mit der Erfindung von Robotern. Mit der Zeit spielten sogenannte neuronale Netze und die Rechenleistung von Computern eine immer größere Rolle. Die zunehmende Speicherkapazität und immer ausgefeiltere Algorithmen versprechen nun auch eine bessere KI. Aktuell halten KI-Werkzeuge und -Anwendungen zunehmend Einzug in Gesellschaft und Verwaltung, von der Medizin bis hin zum Sozialwesen, und immer häufiger auch an Arbeitsplätzen.

KI am Arbeitsplatz

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie mit Hilfe von KI-Anwendungen fortschrittliche Arbeitsplätze und Produktivitätssteigerungen erreicht werden können. Bei der Einführung von KI am Arbeitsplatz stellen sich jedoch auch wichtige Fragen des Arbeitsschutzes. Stress, Diskriminierung durch ungeeignete Datengrundlagen (z.B. ethnische und/oder geschlechtliche Schieflagen), zunehmende Unsicherheit, die Aussicht auf Arbeitsintensivierung oder Arbeitsplatzabbau und sogar Muskel-Skelett-Erkrankungen können an digitalisierten Arbeitsplätzen potenziell zu psychosozialen Gefährdungen führen (vgl.OSH and the future of work). Diese Gefährdungen nehmen noch zu, wenn KI als Erweiterung in bestehende, nicht für das Zusammenwirken konzipierte Technologien integriert oder zum Zwecke von Arbeitsplatzmanagement und –gestaltung unbedarft neu eingeführt wird.

Fachleute europäischer Arbeitsschutzbehörden stellten fest, dass die Sammlung von Beschäftigtendaten als Grundlage für die Entscheidungsfindung in KI-gestützten Analysen, Werkzeugen und Anwendungen heute eines der dringendsten Probleme am Arbeitsplatz darstellt. Die Anwender sind sich häufig einfach nicht bewusst, wie derartige Managementtools genutzt werden können. Gefährdungen wie Stress bei den Beschäftigten oder Stellenkürzungen (etwa durch ein automatisiertes Human Resource Management) sind die mögliche Folge, wenn KI-unterstützte Technologien ohne angemessene Beteiligung, Schulung und Kommunikation eingeführt werden.

Ein Thema für die Normung

Als Antwort auf einige dieser Probleme arbeitet ein Ausschuss der Internationalen Organisation für Normung (ISO TC 260) seit 2018 an einer Norm zum Einsatz von KI-gestützten Managementdashboards (Bildschirmgestützte Informationssysteme zur Darstellung betrieblicher Kennzahlen für die Führungsebene, einschließlich Kennzahlen zum Arbeitsschutz) und Kennzahlensystemen an Arbeitsplätzen. Die Norm enthält Regelungen zur Sammlung und Nutzung von Beschäftigtendaten sowie zum Aufbau von Managementdashboards, auf denen Daten sichtbar und nutzbar sind. Datensammelwerkzeuge werden immer interessanter, vor allem für weltweit operierende Unternehmen. Ein homogener, standardisierter Datensatz, basierend auf besagten Kennzahlen, ist die Grundvoraussetzung für eine funktionstüchtige KI.

Vertreter des Softwareherstellers für die Datenstandardisierung sind in den ISO-Diskussionen aktiv. Da Kennzahlen zum Arbeitsschutzhandeln und ein ungeeigneter Einsatz von KI-Werkzeugen große Auswirkungen auf den Arbeitsschutz haben können, wäre es wünschenswert, auch Vertreter der Praxis und der Sozialpartner zu beteiligen.

Internationale Normen können dazu beitragen, dass das Potential von KI-gesteuertem maschinellem Lernen auch tatsächlich ausgeschöpft wird. Dazu ist es notwendig, Abläufe in Unternehmen international zu einem gewissem Grad vergleichbar und Daten standardisierbar zu machen. Praktiker aus den Unternehmen und Arbeitsschutzexperten in den Diskussions- und Einführungsprozess einzubinden ist wichtig, um die Prozesse nicht nur funktional, sondern auch menschengerecht zu gestalten (vgl. Rolf Jaeger, Interkulturelle Kommunikation und Verhandlung in der Europäischen Sozialpartnerschaft).

Assoc Prof Dr Phoebe V Moore
University of Leicester / Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)
Pm358@leicester.ac.uk