KANBrief 1/18

Sichere Mensch-Roboter-Kollaboration ohne Schutzzaun

Roboter, die direkt mit Menschen zusammenarbeiten, gelten als ein zentraler Schritt zur vernetzten flexiblen Fabrik der Zukunft. Die Mensch-Roboter-Kollaboration kann die Mitarbeiter in der Produktion entlasten und ermöglicht es Unternehmen, schneller auf die Anforderungen der Märkte zu reagieren. Die unmittelbare Nähe zum Menschen stellt hohe Anforderungen an die Sicherheit der Assistenzsysteme, bietet aber auch Potenzial für die Inklusion.

Industrie 4.0, die sogenannte „vierte industrielle Revolution“, soll die Antwort auf schnelllebige Märkte, kürzere Lebenszyklen von Produkten und immer spezifischere Kundenwünsche darstellen. Doch in der Fabrik der Zukunft geht es um mehr als die Vernetzung von Maschinen, Anlagen und Informationstechnologie: Auch Menschen sollen enger mit Maschinen kooperieren.

Stärken von Mensch und Maschine bündeln

Hinter der sich rasant entwickelnden Mensch-Roboter-Kollaboration steht der Gedanke, die Fähigkeiten von Mensch und Maschine zusammenzuführen: Beide zusammen erreichen mehr als jeder für sich alleine. Der Roboter steht für Präzision und Ausdauer, während der Mensch seine einzigartigen Problemlösungskompetenzen in die Zusammenarbeit mit einbringt. So lassen sich Produktionsprozesse flexibler und reibungsloser gestalten.

Das funktioniert in der industriellen Produktion am besten, wenn beide als Partner unmittelbar miteinander interagieren können. Genau das fehlt jedoch vielerorts noch: Zahlreiche Industrieroboter sind weiterhin durch Stahlkäfige oder Schutzzäune von den Menschen abgeschirmt. Es sind aber auch schon Robotersysteme auf dem Markt, die speziell für die direkte Kollaboration mit Menschen entwickelt und von der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) für die Zusammenarbeit mit Menschen ohne zusätzliche Schutzvorrichtungen zertifiziert wurden.

Berührungslos und sicher mit der Maschine interagieren

Mehrere Faktoren sorgen dafür, dass die Interaktion zwischen Menschen und Robotern sicher abläuft: Der Roboter greift und platziert Objekte dank integrierter Kamera mit hoher Präzision. Sensitive Greifer verfügen über einen Klemmschutz. Bei einer Kollision federn die Greiferfinger ein und schützen den Menschen vor möglichen Verletzungen. Neu auf dem Markt ist ein kapazitives Sensorsystem, das den Roboterarm umschließt und permanent die nahe Umgebung überwacht. Kommt ein Mensch dem Roboter zu nahe, stoppt er sofort seine Arbeit, noch bevor eine Berührung stattfindet. Sobald der Mensch sich weit genug entfernt hat, nimmt der Roboter die Arbeit genau an der Stelle wieder auf, an der er zuvor gestoppt hat.

Auch der erweiterte Fernbereich lässt sich per Laserscanner überwachen. So sind Roboter in der Lage, ihre Arbeitsgeschwindigkeit flexibel an die An- oder Abwesenheit von Menschen anzupassen: Solange keine Person in der Nähe ist, arbeiten sie mit maximalem Arbeitstempo. Betritt ein Mensch den Fernbereich, verlangsamt die Maschine automatisch ihre Bewegungen. Derartige Produktionsassistenten werden heute erfolgreich in mehreren Bosch-Werken und verschiedenen Unternehmen, unter anderem in der Automobilindustrie, eingesetzt.

Projekt AQUIAS fördert Inklusion

Wie kollaborative Roboter zur Unterstützung schwerbehinderter Menschen eingesetzt werden können, untersucht Bosch in Projekt AQUIAS zusammen mit dem Fraunhofer IAO Stuttgart und der Integrationsfirma ISAK gGmbH. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

In Zusammenarbeit mit der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) und der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) wurde dabei ein Vorgehen erarbeitet, das die klassische Risikoanalyse um die speziellen Risiken der Zusammenarbeit von behinderten Menschen und Robotern erweitert. Durch diese ganzheitliche Betrachtung von Mensch und Maschine lassen sich produktive und sichere Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen gestalten. Die Arbeitsteilung zwischen Mensch und Serviceroboter lässt sich je nach Art der Behinderung und des Unterstützungsbedarfs individuell anpassen. Dabei stellt die berührungslose Sicherheit des Robotersystems einen besonderen Vorteil dar – sowohl aus technischer Sicht als auch aus Sicht des Menschen, der sicher und flexibel mit einem „feinfühligen Kollegen Roboter“ zusammenarbeiten kann.

Wolfgang Pomrehn
Produktmanager APAS Assistenzsysteme

Wolfgang.Pomrehn@de.bosch.com