KANBrief 4/17

Der Mittelstand wird smart

Die steigende Verfügbarkeit preiswerter Kommunikationstechnologien ermöglicht auch mittelständischen Unternehmen den Wandel zur Smart Factory. Hersteller stehen vor der Herausforderung, den immer individuelleren Wünschen der Kunden gerecht zu werden und gleichzeitig bei höheren Stückzahlen schneller und kostengünstiger zu produzieren. Nur so können sie im verschärften Wettbewerb bestehen.

Preiswerte Robotertechnik, günstige Speichertechnik und bezahlbare Hochleistungsrechner sind in den letzten Jahren allgemein verfügbar geworden. Insbesondere der Ausbau des Breitbandnetzes ermöglicht den Einsatz neuer Technologien. Die Möglichkeiten für Unternehmen unterschiedlicher Branchen werden immer vielfältiger.

Bei Industrie-4.0-Lösungen erfassen Steuerungssysteme mit einer Sensorik Eingangssignale, verarbeiten diese und tauschen Informationen untereinander aus. Auf Grundlage der erfassten Daten werden die vorhandenen Ressourcen, d.h. Roh- und Fertigteile und das verfügbare Bedienpersonal, gesteuert und von den unterschiedlichen dezentralen Einheiten (Maschinen) angefordert. Dadurch wird eine Selbstorganisation der Maschinen mit einem festgelegten und programmierten Regelwerk erreicht.

Allein der Anschluss an das Internet oder der Einsatz einzelner oder auch mehrerer Roboter sind noch keine Beispiele für Industrie-4.0-Anwendungen oder eine Smart Factory, sondern vielmehr klassische Automationslösungen. Erst wenn sich die Anzahl der sequenziell arbeitenden Roboter erhöht und diese selbstorganisierend untereinander kooperieren, wird aus der klassischen Automation eine Industrie-4.0-Lösung auf dem Weg zum smarten Betrieb.

Industrie-4.0 in der Praxis
Bei der vollautomatischen Fertigung von Jagdmessern (siehe Abbildung) kommen drei sequentiell arbeitende Roboter mit Zuführmagazin, Messerrückenbearbeitung, beidseitigem Anschleifen der Hauptschneide, Schärfen, Abziehen, Trocknen, Qualitätsüberwachung mit einer Kamera und Wiederablage in ein Magazin zum Einsatz. Trotz des umfangreichen Aufgabenbereichs der Roboter ist dies keine Industrie-4.0-Lösung. Diese entstand erst durch die Integration eines fahrerlosen Transportsystems (FTS). Das FTS übernimmt die Bestückung und Entladung des Magazinsystems mit Magazinkörben, in denen das Roh- und Fertigmaterial bereitgestellt wird. Der erste Roboter in Produktionsrichtung übernimmt die Steuerung des Magazinsystems, kooperiert bzw. tauscht Informationen mit parallel arbeitenden Produktionsanlagen aus und meldet Bedarfe an das FTS. Neben dem Transport der Roh- und Fertigteile meldet die Maschine eigenständig Bedarfe für Wartungs- und Bedienpersonal an. Unter Berücksichtigung des vorab programmierten Regelwerks entscheiden die Maschinen eigenständig über den Zeitpunkt und den Umfang aller Ressourcen.

Das zweite Beispiel für eine Industrie-4.0-Anwendung ist die Organisation von Wartungspersonal durch weltweite Vernetzung von Maschinen, die selbstorganisierend Maschinenzustände und Bedarfsanforderungen für Personal und Ersatzteile austauschen. Dabei rücken Strategien zur vorbeugenden Wartung (Preventive Maintenance) immer mehr in den Vordergrund: Über ein globales Netzwerk kommunizieren die Maschinen in den verschiedenen Ländern untereinander und tauschen Informationen über ihre anstehenden Wartungstätigkeiten aus. Abhängig von der Dringlichkeit und dem Aufwand der Tätigkeit werden in der Firmenzentrale des Maschinenherstellers die Servicetechniker benachrichtigt und mit Maschinendaten versorgt. Die Maschinen übernehmen also auf globaler Ebene die Organisation des Wartungspersonals. Sie garantieren so eine deutlich effizientere Umsetzung der Servicetätigkeiten und verringern letztlich die Maschinenausfallzeiten.

Augen vor Industrie 4.0 nicht verschließen
Die Implementierung von Industrie 4.0-Lösungen erfordert oftmals unternehmensweite Veränderungen im Produktions- und Wertschöpfungsprozess. Diese Veränderungen sind für Unternehmen jeder Größe eine Herausforderung – aber oftmals unverzichtbar, um im globalen Konkurrenzkampf nicht verdrängt zu werden. Deshalb ist es notwendig, schon früh eine Strategie zu entwickeln, wie die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung erfolgreich in das eigene Unternehmen eingebracht werden können.

Dr. Andreas Groß
Tobias Rath

Berger Gruppe