KANBrief 3/11

Aktuelle Entwicklungen bei Dienstleistungsnormen

Die Dienstleistungsnormung gewinnt neben der reinen Produktnormung zunehmend an Bedeutung und ist daher auch für den Arbeitsschutz ein hochaktuelles Thema. Wichtig ist vor allem, dass die Dienstleistungsnormen nicht mit gesetzlichen Arbeitsschutzregelungen in Konflikt geraten. Für Anforderungen an die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Personen, die die Dienstleistung erbringen, sind Normen nicht geeignet.

Rund 70 % der Gesamtwertschöpfung in der EU entsteht derzeit im Dienstleistungsbereich. Da immer mehr Dienstleistungen grenzüberschreitend erbracht werden, steigt auch der Bedarf an entsprechenden europäischen Normen. Die Europäische Kommission verspricht sich von einer verstärkten Normungstätigkeit positive Effekte zur Liberalisierung des Dienstleistungshandels und den Abbau von Handelshemmnissen. Im Verordnungsentwurf zur europäischen Normung (pdf) ist daher vorgesehen, dass die Kommission künftig über Mandate die Erstellung von Dienstleistungsnormen anfordern kann.

Dienstleistungen sind nach der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG eine selbstständige Tätigkeit, die in der Regel gegen Entgelt erbracht wird. Diese offene Formulierung macht die Bandbreite der Themen deutlich, die sich auch in den aktuellen Normungsvorhaben widerspiegelt: Bedingungen für den Verleih von Geräten, Werkzeugen und Zubehör für Bau, Gartenbau und Heimwerken, Bestattungsdienstleistungen, Outsourcing, Personalmanagement, Sicherheitsdienstleistungen und vieles mehr.

Normung hat Grenzen

Die Kommission Arbeitsschutz und Normung vertritt die Position, dass Dienstleistungsnormen dort sinnvoll sind, wo sie einen Nutzen für die Qualität der Dienstleistung haben können, zum Beispiel wenn es um die Sicherheit der Verbraucher geht.

Manchmal ergeben sich allerdings Konflikte: So können sich bei der Beschreibung einer Dienstleistung auch Bezüge zu den Personen ergeben, die sie erbringen. Dienstleistungsnormen enthalten daher teilweise Anforderungen an den Schutz der Beschäftigten. Hierzu zählen zum Beispiel die Ausstattung der Arbeitsplätze mit sekundärer Sicherheitstechnik wie Notausstiegen für die Beschäftigten; die Festlegung von arbeitsplatzbezogenen Grenzwerten; die betriebliche Organisation des Arbeitsschutzes; die Unterweisung in Fragen des Arbeitsschutzes; arbeitsmedizinische Untersuchungen; Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung. Normung ist in diesen Feldern jedoch vom Grundsatz her nicht vorgesehen; vielmehr gelten hier gemäß Artikel 153 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) die jeweiligen nationalen Arbeitsschutzregelungen zum Schutz der Beschäftigten.

Dass in der Praxis häufiger Probleme bei der Trennung dieser Aspekte auftreten, zeigt das Beispiel des CEN Workshop Agreements (CWA) zum Verleih von Geräten (CWA 16308, Framework for consumer rental conditions). Aus Arbeitsschutzsicht ist gegen ein Normungsdokument zur Vertragsgestaltung zwischen Verbraucher und Entleiher nichts einzuwenden. Da allerdings beim Verleih zum Beispiel von Baumaschinen der Übergang zwischen privater und gewerblicher Nutzung fließend ist, ist nicht auszuschließen, dass das CWA auch Aspekte des betrieblichen Arbeitsschutzes berühren könnte. Hier gilt jedoch für gewerbliche Entleiher in Deutschland die Betriebssicherheitsverordnung. Die Vertreter des Arbeitsschutzes konnten erreichen, dass Arbeitsschutzaspekte, die bereits an anderer Stelle verbindlich geregelt sind, nicht in dem CWA behandelt werden.

Die Arbeitsschutzvertreter haben sich auch beim CEN-Leitfaden zur Dienstleistungsnormung (siehe KANBrief 1/2010) dafür eingesetzt, dass dieser keine Festlegungen zum betrieblichen Arbeitsschutz enthält. Die CEN BT/WG 163 überarbeitet den Guide zurzeit und hat in diesem Zusammenhang das europäische CEN-Beratungsgremium zum Arbeitsschutz SABOHS um Unterstützung gebeten.

Die KAN beobachtet das Normungsgeschehen und formuliert Stellungnahmen, in denen sie ihre Grundsatzposition zur Dienstleistungsnormung vertritt. Mitarbeiter der KAN-Geschäftsstelle arbeiten in der Koordinierungsstelle Dienstleistungen (KDL) und anderen Gremien des Deutschen Instituts für Normung mit und begleiten die europäischen Entwicklungen (siehe KDL-Infobrief und CEN). Die frühzeitige und konstruktive Mitarbeit aller Arbeitsschutzkreise an der Normung ist dringend geboten, um ihre Interessen in dieses wachsende Normungsfeld einzubringen und Fehlentwicklungen entgegenzuwirken.

Bettina Palka