KANBrief 4/23
Investitionen in KI-Technologien haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Auch der Bereich des Arbeitsschutzes scheint wissenschaftlichen Veröffentlichungen (Englisch) zufolge ein potenzieller Wachstumsmarkt zu sein. Der Verwaltungsrat des französischen Arbeitsschutzinstituts INRS hat daher 2022 eine Zukunftsstudie (Englisch) angestoßen, die für den Zeitraum bis 2035 mögliche Einsatzfelder der künstlichen Intelligenz für den Arbeitsschutz untersucht.
Ziel der Studie war es, das Potenzial der neuen KI-Technologien für die Prävention von arbeitsbedingten Risiken zu erkunden. Dabei sollten sowohl die Stärken dieser Entwicklung berücksichtigt werden als auch Aspekte, die besonders wachsam beobachtet werden müssen. Als Ergebnis sollten Handlungsstrategien für die Praxis abgeleitet werden, um die Möglichkeiten, die die Künstliche Intelligenz allen Beteiligten in der Prävention bietet, auch tatsächlich auszuschöpfen.
Drei Anwendungsbereiche im Bereich des Arbeitsschutzes wurden ausgewählt, auf die sich die Studie konzentrieren sollte:
Technologien, die zwar indirekt zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen beitragen können, aber hauptsächlich wirtschaftlichen Interessen dienen, wurden aus der Betrachtung ausgeschlossen. Dies geschah auf Empfehlung einer eigens für die Studie eingerichteten Arbeitsgruppe aus KI-Fachleuten, Vertretern von Unternehmen und Arbeitsschutzfachleuten.
Die wichtigsten Erkenntnisse der Zukunftsstudie wurden in Form von Kernbotschaften aufbereitet, die Arbeitsschutzfachleuten zu einem besseren Verständnis der Thematik verhelfen und ihnen Handlungselemente für zukünftige Entwicklungen an die Hand geben sollen.
Die wichtigste Botschaft ist, dass diese Technologien für die Prävention von großer Bedeutung sind: Erkennungstechnologien, die auf der Analyse von Felddaten basieren, haben spektakuläre Fortschritte gemacht. Darin scheint großes Entwicklungspotential für Systeme zur Sicherung der Arbeitsumgebung zu stecken. Darüber hinaus kann die Automatisierung bestimmter Aufgaben, die dank dieser Technologien möglich ist, Arbeitnehmer zukünftig von gefährlichen Tätigkeiten entbinden.
Die Entwickler und Vertreiber von KI-Systemen agieren jedoch teils fernab der grundlegenden Werte, auf denen der Arbeitsschutz in Europa und in Frankreich beruht. Es ist wichtig, bei der weiteren Entwicklung der Systeme darauf hinzuwirken, dass sie mit diesen Werten übereinstimmen. Da sich diese Technologien jedoch erst noch in der Praxis bewähren müssen, darf sich der Arbeitsschutz künftig nicht ausschließlich darauf stützen. Bei allen Vorteilen, die für die drei oben genannten Anwendungsfelder gezeigt wurden, besteht gleichzeitig das große Risiko, dass diese Technologien aus Gründen der Wirtschaftlichkeit ins Zentrum der Arbeitsorganisation rücken und die menschliche Arbeit infolgedessen in den Hintergrund gerät. Zudem ist zu bedenken, dass Arbeitsunfälle häufig in atypischen Situationen geschehen, beispielsweise bei Abweichungen von den gewohnten Arbeitsumständen, technischen Störungen oder Wartungsarbeiten. KI-Systeme können diese außergewöhnlichen Umstände nicht immer vorhersehen, was ihre Anwendungsmöglichkeiten einschränkt.
Als Ergebnis der Studie hat die Arbeitsgruppe eine Reihe von Handlungsempfehlungen formuliert:
Angesichts der technischen Komplexität und der Undurchsichtigkeit der KI-Systeme sollten sich die Bemühungen zuallererst auf die Aus- und Fortbildung der verschiedenen Beteiligten richten, damit diese umfassende Kenntnisse über die Funktionsweise der Systeme, die damit verbundenen ethischen Herausforderungen, den rechtlichen Rahmen und die möglichen Risiken erlangen. Diese Initiative sollte schon früh im Prozess ansetzen und auch diejenigen einbeziehen, die diese Systeme entwickeln und konstruieren. Aus- und Weiterbildungen zum Thema Arbeitsschutz sind notwendig, um sie für die mit diesen Technologien verbundenen Risiken zu sensibilisieren und sie dazu anzuhalten, in ihren Algorithmen für die Einhaltung der Präventionsgrundsätze Sorge zu tragen.
Parallel zu den Schulungsmaßnahmen sollte besondere Aufmerksamkeit der Erstellung von Normen und Vorschriften für KI-Technologien gewidmet werden. Die neuen Regelungen müssen die Grundsätze des Arbeitsschutzes systematisch berücksichtigen und würden damit zur Entwicklung sicherer Arbeitsmittel beitragen.
Schließlich ist besondere Wachsamkeit darüber geboten, wie die gesammelten Daten verwendet werden, die für das Funktionieren von KI-Systemen erforderlich sind. Der Schutz der persönlichen Daten der Beschäftigten muss stets gewahrt bleiben. Außerdem ist bei der Auswahl und Verarbeitung der Daten darauf zu achten, dass während der Lernphase der Systeme keine Verzerrungen entstehen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Fortschritte der KI auch neue Perspektiven für den Arbeitsschutz eröffnen, gleichzeitig aber wie jede Veränderung Risiken mit sich bringen. Arbeitsschutzorganisationen müssen daher schon heute an der Entwicklung und Verbreitung methodischer Instrumente arbeiten, die allen Beteiligten Orientierung bei diesen Innovationen bieten.
Jennifer Clerté
INRS, Referentin für Beobachtung und Zukunftsfragen
jennifer.clerte@inrs.fr