KANBrief 4/22
Benjamin Pfalz ist Gewerkschaftssekretär im Ressort Arbeitsgestaltung und Gesundheitsschutz beim Vorstand der IG Metall und seit Mai 2022 Vorsitzender der KAN.
Die KAN hat sich in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt. Mit den im Vorstand vereinbarten Entwicklungszielen hat sie sich einen klaren Rahmen dazu gegeben. Einiges ist erreicht, wenn ich beispielsweise an das Ziel denke, das Engagement auf europäischer Ebene zu stärken. Die Eröffnung des Büros in Brüssel war ein Meilenstein!
Gleichzeitig gilt es, auf dieser Grundlage jetzt die europäische Arbeit auch konzeptionell und strategisch auszubauen. Das wird nicht einfach, aber ich bin zuversichtlich, dass wir mit allen interessierten Kreisen in der KAN einen guten Weg finden.
Die KAN hat in den letzten Jahren wiederholt gezeigt, dass sie gut auf veränderte Rahmenbedingungen eingehen kann. Ein Beispiel dafür ist der Umgang mit sogenannten schnell erarbeiteten Normungsdokumenten, wie wir sie in Formaten wie DIN SPEC oder VDE SPEC kennengelernt haben. Es ist über die KAN gelungen, gemeinsam mit DIN ein Verfahren zu etablieren, das es erlaubt, auch bei diesen Formaten Einfluss geltend zu machen, um die Arbeitsschutzinteressen zu wahren.
Die Europäisierung und Internationalisierung des Normungsgeschehens wird uns vor enorme Herausforderungen stellen. Denken Sie nur an die drei aktuell anhängigen EU-Verordnungen mit hoher Relevanz für den Arbeitsschutz: Künstliche Intelligenz, Maschinen und Bauprodukte, alles untersetzt durch Normen mit Schnittmengen zum Arbeitsschutz.
Der durch die Digitalisierung getriebene technologische Wandel, aber auch Rahmenbedingungen wie der fortschreitende Klimawandel und der europäische Green Deal, werden viele Themen mit sich bringen, die die KAN beschäftigen werden. Im Geschehen rund um die EU-Verordnungen findet das bereits seinen Ausdruck. Aktuell nehmen wir beispielweise die Normung zu hochautomatisierten, fahrerlosen mobilen Maschinen unter die Lupe. Da würden sich schnell weitere Beispiele finden. Gleichzeitig bleiben für uns auch klassische Themen der Produktsicherheit relevant, etwa wenn wir über die Beschaffenheitsanforderungen von Leitern diskutieren. Aus Arbeitsschutzsicht müssen wir bei all diesen Themen am Ball bleiben.
Ich denke, da liegt die Herausforderung auch darin, die KAN bei der Bandbreite der Themen weiter auf gutem Kurs zu halten. Wir müssen die laufenden Normungsvorhaben kritisch begleiten und darauf achten, dass die verbindlichen Regelungen von Staat und gesetzlicher Unfallversicherung, die die Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten bei der Arbeit gewährleisten, eben nicht von Normung unterhöhlt werden.
Die KAN sollte auch weiterhin dazulernen, um systematisch und an entscheidenden Stellen Einfluss zu nehmen. Ich denke z. B. an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen in Brüssel, die sogenannten political advisors, die oft händeringend externe und vertrauenswürdige Expertise suchen. Wenn wir mit dem Wissen der KAN diese Personen, die die Tischvorlagen schreiben und in den Fraktionen abstimmen, erreichen, haben wir unsere Arbeitsschutzinteressen bereits an wichtiger Stelle platziert. Das kann nur über eine systematische Pflege der Kontakte in alle Fraktionen gelingen. Gleichzeitig ist das aus unserer gewerkschaftlichen Erfahrung heraus oft effektiver als einzelne Parlamentsabgeordnete zu bearbeiten.
Ein Austausch der an der KAN beteiligten Kreise zu den Möglichkeiten der europäischen Einflussnahme, bis hin zur konkreten Zusammenarbeit mit den europäischen Verbänden der Sozialpartner – zumindest wo sich Interessenlagen decken – das sind die Pfade, die aus meiner Sicht vielversprechend sind.
Ich möchte klar dafür werben, gemeinsam den Mut aufzubringen, im Spagat aus Altbewährtem und neu zu Erringendem ins Feld zu ziehen. Auf dem festen Boden unserer Grundsätze und im Konsens der Kreise ist die KAN eine wirksame Plattform für den Arbeitsschutz!