KANBrief 3/21

Zeckenschutz durch Permethrin in PSA

Viel hilft viel oder schadet doch eher?

Personen, die in der Jagd-, Forstwirtschaft oder anderweitig im Wald arbeiten, aber auch Beschäftigte von Straßenmeistereien und der Bundeswehr, sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, Zeckenstiche bei der Arbeit zu erleiden. Eine Möglichkeit der Prävention für diesen Personenkreis ist, Arbeitskleidung mit Zeckenschutz zu tragen. Hier kommt insbesondere mit Permethrin behandelte Kleidung zum Einsatz.

Permethrin ist ein biozider Wirkstoff, der zum Schutz gegen Parasiten eingesetzt wird, insbesondere gegen Zecken. Wird Kleidung im Herstellungsprozess mit Permethrin imprägniert, wird sie zu einer persönlichen Schutzausrüstung (PSA) gegen Zecken. Das Biozid wird hierbei durch Spraybehandlung, Tauchbäder in wässrigen Emulsionen, Polymerbeschichtung der Fasern während der Herstellung oder Mikro- und Nanoverkapselung auf die Kleidung aufgetragen.

Allerdings kann der Wirkstoff bei Hautkontakt aus der Kleidung freigesetzt und über die Haut aufgenommen werden. Längerer Körperkontakt und Außenbedingungen wie Feuchtigkeit, Temperatur, Schweißbildung oder Materialeigenschaften der Textilien können die Aufnahme beeinflussen. Permethrin wird laut CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 als hautsensibilisierend der Kategorie 1 mit dem Gefahrenhinweis H317 („Kann allergische Hautreaktionen verursachen“) eingestuft. In der EU ist Permethrin im Rahmen der Wirkstoffprüfung gemäß Biozid-Verordnung (EU) Nr. 528/2012 als nicht krebserregend bewertet.

Norm-Entwurf mit umstrittenen Anforderungen

Im März 2020 wurde der erste Norm-Entwurf zu dieser Thematik veröffentlicht: EN 17487 „Schutzkleidung – Mit Permethrin behandelte Schutzkleidungsstücke zum Schutz gegen Zeckenbisse“. Das Dokument beschreibt Anforderungen und Prüfungen von mit Permethrin behandelter Kleidung, damit der Schutz gegen Zeckenstiche (auch nach einer definierten Anzahl von Waschgängen unter bestimmten Waschbedingungen) gegeben ist. Gleichzeitig erhebt der Norm-Entwurf den Anspruch, dass die dort beschriebene Kleidung für die Menschen, die sie tragen, „unschädlich“ ist.

Laut Entwurf darf der mittlere Permethrin-Gehalt von konfektionierten Kleidungsstücken 1 600 mg/m2 Textil nicht überschreiten, wobei eine Inhomogenität von maximal 20 % zugelassen ist. Damit wären lokale Konzentrationen an Permethrin von über 1 900 mg/m² möglich. Bisherige Studien, die sich mit dem Gesundheitsschutz der Nutzer von mit Permethrin behandelten Textilien beschäftigen (z. B. [1​], [2], [3]), wurden meistens mit einem Gehalt von 1 250 mg/mTextil durchgeführt. Laut Empfehlung der WHO 4 beträgt die empfohlene Dosierung für Mäntel, Jacken, langärmelige Hemden und Hosen 1250 mg/m2 und für kurzärmelige Hemden sogar nur 800 mg/m2. Der Wert des Norm-Entwurfs liegt damit deutlich über den empfohlenen Konzentrationen.

Deutschland hat sich in der öffentlichen Umfrage 2020 gegen den hohen Permethrin-Wert ausgesprochen. Zum einen liegen keine Erkenntnisse vor, ob solch eine Konzentration benötigt wird (oder diese nur aufgrund momentan von einigen Herstellern genutzter Verfahren forciert wird) und zum anderen ist unklar, ob diese für Beschäftigte bei längerer Tragdauer nicht doch schädliche Wirkungen haben kann. Aktuell ist ein zweiter Norm-Entwurf in der Umfrage, der den hohen Wert weiterhin beinhaltet.

Der Norm-Entwurf geht auch auf „Anforderungen an den Gesundheitsschutz der Nutzer“ ein. Hierbei wird auf den ADI-Wert (accepted daily intake) der WHO Bezug genommen, also die von der WHO angegebene zulässige tägliche Aufnahmemenge. Laut Entwurf ist „zu erwarten, dass der 20 %-ADI-Wert bei üblicher professioneller Nutzung der Kleidung und Bedeckung des Unter- und Oberkörpers (Torso, Arme, Beine) an einem 8-h-Arbeitstag nicht überschritten wird. Bei längerer Nutzung, z. B. an einem 24-h-Arbeitstag, werden höchstens 60 % vom ADI-Wert erreicht.“

Allerdings spielt die Art der Bindung des Permethrins im Textil je nach Behandlungsmethode eine große Rolle. Im Anhang E des aktuellen Norm-Entwurfs gibt es folgenden Hinweis: „Ist das Permethrin nicht fest an das Textil gebunden, kann der ADI-Wert für Permethrin überschritten werden, insbesondere wenn die Permethrin-Anfangskonzentration nahe dem in diesem Dokument formulierten Permethrin-Höchstgehalt in Textilien liegt.“ Darüber hinaus weist die Normungsarbeitsgruppe in Abschnitt E 10.4 darauf hin, dass es keine genormten Verfahren gibt, mit denen die Gesundheitsauswirkungen von Permethrin zuverlässig beurteilt werden könnten.

Der Norm-Entwurf lässt also einige Fragen offen. Grundsätzlich ist es sinnvoll, Prüfverfahren für Permethrin-behandelte PSA zu normen. Wichtig wäre zusätzlich, die Imprägnierverfahren zu standardisieren und dabei Erkenntnisse zu gewinnen, inwiefern diese auf die Freisetzungsrate und damit die Aufnahme durch den Menschen unter verschiedenen Bedingungen Einfluss haben. Nur dann ist eine Risikobeurteilung wirklich möglich. Bis dahin sollte nach dem Minimierungsgebot und aufgrund der eingeschränkten wissenschaftlichen Erkenntnisse die mittlere Konzentration bei der Imprägnierung 1250 mg/m2 nicht überschreiten dürfen.

Dr. Anja Vomberg
vomberg@kan.de

Dr. Michael Thierbach
thierbach@kan.de

1 K.E. Appel et al., Risk assessment of Bundeswehr (German Federal Armed Forces) permethrin-impregnated battle dress uniforms (BDU). Int J Hyg Environ Health. 2008,
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/18222725
2 B. Roßbach et al., Abschlussbericht “Biomonitoring und Beurteilung möglicher Gefährdungen von Beschäftigten in der Forstwirtschaft durch permethrinimprägnierte Schutzbekleidung“, Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Mainz; ca. 2012 www.dguv.de/projektdatenbank/0305/12_11_23_abschlussbericht_permethrin_final.pdf
3 BfR: Allergien: Sensibilisierung durch Permethrin in Textilien ist unwahrscheinlich, Stellungnahme Nr. 006/2017, www.bfr.bund.de/de/a-z_index/permethrin-4880.html
4 WHO: Vector control – Methods for use by individuals and communities. Prepared by Jan A. Rozendaal 1997

Auf den Grenzwert kommt es an

„Aus Sicht der Sozialversicherung für Landwirtschaft Forsten und Gartenbau (SVLFG) ist das Thema des chemischen Schutzes vor Zeckenstichen nicht eindeutig zu bewerten. Einerseits sind die Gefährdungen durch von Zecken übertragbare Erkrankungen seit Jahren im beruflichen Alltag bekannt. Präventionsmaßnahmen werden empfohlen und ergänzende Maßnahmen gesucht. Andererseits ist es nicht akzeptabel, dass durch übermäßig mit Permethrin behandelte Schutzkleidung ein Gesundheitsrisiko für die Versicherten entsteht. Im Normungsprozess muss daher eine sorgfältige Abwägung erfolgen, um den geeigneten Grenzwert zu bestimmen.“

Sebastian Dittmar, SVLFG