KANBrief 3/21
Vielfach wird unterschätzt, dass schon der Wasserstrahl eines einfachen Hochdruckreinigers mit einem Betriebsdruck von ca. 100 bar einen Menschen schwer verletzen kann. Verletzungen können dabei durch das austretende Wasser, aber auch aufgrund defekter Schlauchleitungen entstehen. Das nicht sterile Wasser kann zusammen mit weiteren kleinsten Partikeln, z.B. abgestrahlter Farbe oder Lack, tief injiziert werden und sich unkontrolliert auch abseits der Injektionsstelle im Gewebe verteilen.
Die Unfallstatistik der DGUV weist in den Berichtsjahren 2010 bis 2019 jährlich im Durchschnitt ca. 280 meldepflichtige Arbeitsunfälle mit Hochdruckreinigern aus1, darunter auch Unfälle mit schwersten Verletzungen und ein tödlicher Unfall.
Da es an einer normierten Grundlage zur Prüfung und Zertifizierung fehlte, wurde auf Initiative des Sachgebietes Schutzkleidung der DGUV zusammen mit dem Institut für Arbeitsschutz (IFA) 2017 der Prüfgrundsatz „Schutzkleidung gegen Hochdruck-Wasserstrahl“ (GS-IFA-P15) erarbeitet. Er diente als Grundlage zur Erarbeitung der neuen Norm DIN 19430 „Schutzkleidung – Kleidung zum Schutz gegen Hochdruckwasserstrahl – Anforderungen und Prüfverfahren“.
Bei Arbeiten mit einer Hochdruckpistole können sehr hohe Kräfte auf den Bediener wirken. Die Rückstoßkräfte handgeführter Werkzeuge dürfen gemäß DGUV-Regel 100-500 in axialer Richtung einen Wert von 150 N nicht übersteigen. Setzt der Bediener eine Körperstütze ein, dürfen die Rückstoßkräfte maximal 250 N erreichen. Die unterschiedlichen maximalen Rückstoßkräfte werden in der neuen Norm bei der Einteilung der Schutzkleidung in Leistungsstufen berücksichtigt. Dabei wird auf die drei relevanten Düsenarten abgestellt (siehe Tabelle):
Schutzkleidung gegen Hochdruckwasserstrahl sollte zum einen wasserdicht und besonders reißfest und zum anderen atmungsaktiv und leicht sein. Die Auswahl der Kleidung hängt von den Einsatzbedingungen und der notwendigen Tragedauer ab. Die Leistungsfähigkeit wird nach der DIN 19430 z.B. für den Wasserdampfdurchgangswiderstand und die Weiterreißfestigkeit klassifiziert.
Entscheidend für die Lebensdauer der PSA sind Pflege und Verschleiß. Hochwertige und imprägnierte Kleidung sollte immer professionell gereinigt werden. Die Pflegeanweisungen des Herstellers müssen exakt eingehalten werden. Bei Löchern, Rissen oder aufgeplatzten Nähten muss die Kleidung sofort ersetzt werden.
In jedem Schutzanzug muss ein Etikett fest eingebracht sein, um die notwendigen Informationen an den Nutzer der PSA weiterzugeben, etwa:
Der Hersteller muss in der Herstellerinformation Angaben zur richtigen Lagerung, Handhabung, Pflege, Lebensdauer, Kriterien zur Ablegereife sowie den Fundort der Konformitätserklärung darlegen und die Leistungsstufen und Klassen erklären.
Die DIN 19430 ist ein wichtiger Schritt, um die Beschreibung des Schutzniveaus der Schutzkleidung verschiedener Hersteller zu vereinheitlichen. Leistungsstufen spiegeln ein verständliches Schutzniveau wider und erleichtern dem Anwender die Auswahl der geeigneten PSA. Die Angaben zur maximalen kontinuierlichen Tragedauer helfen, die Belastung der Beschäftigten im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu bewerten.
Die DIN 19430 bietet eine sehr gute Grundlage, um in Zukunft einen europäischen oder internationalen Standard für die Prüfung und Zertifizierung von Schutzkleidung gegen Hochdruckwasserstrahl zu erstellen.
C. Walther (IFA), C. Kirchhoff
(BG BAU), H. Lüttgens (DIN), O. Mewes (IFA), R. Ziehmer
(DEHN SE + Co. KG), Y. Dietzel (STFI)
1 Referat Statistik, DGUV: meldepflichtige und tödliche Arbeitsunfälle 2010-2019, ausgewählte Hochdruck- und Spritzgeräte