KANBrief 2/22

Neue Rechtsetzung zur Marktüberwachung und zum Produktsicherheitsrecht

Mit dem 16. Juli 2021 sind neue Rechtsvorschriften in Kraft getreten, die einen einheitlichen Rechtsrahmen zur Marktüberwachung für eine Vielzahl von Produkten schaffen.

Die Verordnung (EU) 2019/1020 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten schafft ein einheitliches Regelwerk für die in ihrem Anhang I aufgeführten siebzig europäisch harmonisierten Produktsektoren. Der Anwendungsbereich ist weit gespannt und erstreckt sich über Aufzüge, Maschinen, Kraftfahrzeuge, Bauprodukte bis hin zu Explosivstoffen und Spielzeug. Die bisherige für die Marktüberwachung maßgebliche Verordnung (EG) Nr. 765/2008 enthält künftig nur noch die Grundsätze zur Akkreditierung und zum CE-Zeichen. Die Bestimmungen zur Marktüberwachung wurden in die neue Verordnung (EU) 2019/1020 überführt und an die Erfordernisse des Marktes angepasst.

Explizite Regeln für den Online-Handel

Die EU-Marktüberwachungsverordnung 2019/1020 enthält erstmals maßgebliche Bestimmungen für die Marktüberwachung im Online-Handel; damit wird dem in diesem Wirtschaftsbereich stetig steigenden Umsatz Rechnung getragen. Zukünftig sind sowohl online als auch offline auf dem Markt bereitgestellte Produkte gleichermaßen in der behördlichen Marktüberwachung zu berücksichtigen. Dies bedeutet für die Marktüberwachungsbehörden der Länder eine neue Herausforderung und bedingt eine kontinuierliche Fortentwicklung der behördlichen Überwachungsstrategien und Methoden sowie eine stärkere Vernetzung untereinander. Ein erster Schritt ist mit der Einrichtung einer gemeinsamen Recherchestelle der Länder für die Überwachung des Onlinehandels und eines ländereinheitlichen Vorgehens der Marktüberwachungsbehörden bereits gemacht worden.

Neu ist neben verbesserten Instrumenten für die Marktüberwachung, z. B. dem verdeckten Ankauf von Produkten, dass Fulfilment-Dienstleister, also z. B. Logistikunternehmen, die mindestens zwei der Dienstleistungen Lagerhaltung, Verpackung, Adressierung oder Versand von Produkten übernehmen, künftig zu den Wirtschaftsakteuren zählen. Außerdem ist eine gesetzliche Verpflichtung verankert, nach der für bestimmte Produktgruppen, z. B. elektrische Betriebsmittel, Maschinen, Aufzüge, PSA oder Druckgeräte, zumindest ein Bevollmächtigter im europäischen Binnenmarkt als Wirtschaftsakteur benannt werden muss, wenn es keinen in der EU niedergelassenen Hersteller, Einführer oder Fulfilment-Dienstleister gibt. Die Kontaktinformationen des Bevollmächtigten sind ab dem Zeitpunkt des Inverkehrbringens, mithin dem Bereitstellen des Produkts auf der Website des Verkäufers, mitzuteilen. Damit dürften die Probleme sowohl bei der Nachverfolgung als auch bei der Umsetzung von adäquaten Maßnahmen durch die Marktüberwachungsbehörden bei online angebotenen Produkten, auf denen lediglich der Hersteller bzw. Versender aus einem Drittstaat angegeben ist, der Vergangenheit angehören.

Auch werden den Marktüberwachungsbehörden bei Websites oder Apps (Online-Schnittstellen) stärkere Rechte zur Entfernung von Inhalten und Beschränkung des Zugangs eingeräumt, wenn ein ernstes Risiko nicht anderweitig beseitigt werden kann.

Nationale Vorschriften klarer strukturiert

Bisher war in Deutschland das Produktsicherheitsgesetz alleinige Grundlage für die Marktüberwachung und die sich daraus ergebenden verwaltungsrechtlichen Maßnahmen, um die sicherheitstechnischen Anforderungen an die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt durchzusetzen. Nunmehr ist für Produkte, für die es harmonisierende europäische Rechtsvorschriften gibt, die Verordnung (EU) 2019/1020 die maßgebliche Rechtsvorschrift in Bezug auf die Produktsicherheit. Für nicht harmonisierte Produkte gilt das Gesetz zur Marktüberwachung und zur Sicherstellung der Konformität von Produkten
(Marktüberwachungsgesetz – MüG) vom 09.07.2021.

Auf nationaler Ebene ist die Marktüberwachung damit erstmals durch ein eigenständiges Gesetz geregelt, das zudem eine Dachfunktion wahrnimmt. Es tritt in den Fällen zurück, in denen speziellere Marktüberwachungsvorschriften in den jeweiligen sektoralen Rechtsvorschriften zur Produktsicherheit bestehen. Das Marktüberwachungsgesetz legt außerdem bundesweite Regelungen zur Durchführung der Marktüberwachung fest, von der Übertragung von Befugnissen an die Behörden bis hin zu Sanktionen und Kostenerstattungen.

Das deutsche Marktüberwachungsgesetz nimmt die Befugnisse und Maßnahmen der EU-Marktüberwachungsverordnung in Bezug. Diese gelten unmittelbar nur für den harmonisierten Bereich. Durch die Inbezugnahme werden sie auch für Produkte, die lediglich der Richtlinie 2001/95/EG über die allgemeine Produktsicherheit unterfallen (sogenannter nicht harmonisierter Bereich), ins deutsche Recht übertragen. Unter den nicht harmonisierten Bereich fallen z. B. Handwerkzeuge, Arbeitsmöbel und alle gebrauchten Produkte. Zudem enthält das Gesetz spezielle Zuständigkeitsregelungen für die Marktüberwachung des Onlinehandels abweichend vom in Deutschland praktizierten „Sitzlandprinzip“, nach dem immer die Behörde zuständig war, in deren Aufsichtsbereich der Hersteller oder Importeur des beanstandeten Produktes ansässig ist. Dies bedingt, dass sich die Marktüberwachungsbehörden künftig noch stärker vernetzen, um sich dem stetig verändernden Marktgeschehen kontinuierlich anzupassen.

Das Produktsicherheitsgesetz regelt als zentrale Rechtsvorschrift weiterhin die Voraussetzungen, unter denen im Rahmen einer Geschäftstätigkeit Produkte auf dem Markt bereitgestellt, ausgestellt oder erstmals verwendet werden. Es bleibt die Grundlage für die Umsetzung produktbezogener EG-Binnenmarktrichtlinien sowie der allgemeinen Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG. Um konkurrierende Regelungen zu vermeiden, sind die Vorschriften zur Marktüberwachung ins Marktüberwachungsgesetz überführt worden. Im Produktsicherheitsgesetz sind nur noch die Regelungen zur Stichprobe sowie u.a. zur Umsetzung der zusätzlichen Anforderungen an die Bereitstellung von Verbraucherprodukten auf dem Markt enthalten. Durch die Überführung des bisherigen Abschnitts 9 „Überwachungsbedürftige Anlagen“ in ein eigenständiges Gesetz ist das Produktsicherheitsgesetz nunmehr wieder zu einer „reinen“ Rechtsvorschrift zur Bereitstellung von Produkten geworden.

Helmut Heming
helmut.heming@ms.niedersachsen.de

Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit
Referat Arbeitsschutz, technischer Verbraucherschutz