KANBrief 1/16

Schulranzen: cooles Design und trotzdem sicher?

Eine gute Sichtbarkeit von Schülern im Straßenverkehr hilft, Unfälle zu vermeiden, was auch im Interesse der Unfallkassen ist. Zur Sicherheit tragen Schulranzen bei, die gemäß DIN-Norm 58124 ausreichend große reflektierende und fluoreszierende Flächen aufweisen. Doch diese passen offenbar nicht recht zu einem coolen Design. Folge ist, dass immer mehr Schulranzen verkauft werden, die die Anforderungen der Norm unterlaufen.

„Mangelhaft“ – so urteilt die Stiftung Warentest, wenn Schulranzen nicht über ausreichend große reflektierende und fluoreszierende Flächen verfügen (Testbericht 03/2013). Die Norm DIN 58124 „Schulranzen – Anforderungen und Prüfung“ legt fest, dass mindestens 10 Prozent der Rück- und Seitenflächen mit retroreflektierendem Material ausgestattet sein müssen. Dies erhöht die Sichtbarkeit bei Dunkelheit, wenn ein Fahrzeugscheinwerfer den Schulranzen anstrahlt. Bei Tageslicht helfen Reflektoren dagegen nicht. Um auch im Hellen für ausreichende Sicherheit zu sorgen, werden fluoreszierende Materialien eingesetzt, die durch die bei Warnwesten bekannten Farben orange-rot oder gelb gut sichtbar sind. Gemäß Norm müssen 20 Prozent der Flächen damit ausgestattet sein.

Während Reflektoren bei Schulranzen weit verbreitet sind, verzichten einige Hersteller auf fluoreszierende Flächen, die die Sichtbarkeit am Tag und in der Dämmerung verbessern. Augenscheinlich fällt es den Designern schwer, pinkfarbene Prinzessinnen oder dunkle Drachen mit den Normfarben in Einklang zu bringen. Grundschulkinder und deren Eltern lassen sich beim Kauf demnach zunehmend nicht vom Sicherheits-, sondern vom Coolnessaspekt leiten. Möglicherweise vermittelt die Werbung auch den Eindruck, der Sicherheit sei genüge getan, selbst wenn der Schulranzen die Norm nicht einhält.

Was ist Produktsicherheit?

Die Marktüberwachungsbehörden tun sich allerdings schwer, gegen solche Schulranzen vorzugehen. Das Produktsicherheitsgesetz fordert in allgemeiner Form, dass nur solche Produkte auf den Markt gebracht werden dürfen, die die Sicherheit und Gesundheit der Verwender nicht gefährden. Im gemeinsamen Ministerialblatt gelistete Normen konkretisieren, was darunter zu verstehen ist. Zwar ist die DIN 58124 dort aufgeführt, doch es ist umstritten, ob diese Listung für den Fall der Sichtbarkeitsanforderungen überhaupt gerechtfertigt ist (DGUV Forum 10/11, S. 19-21 (pdf)). Es wird kontrovers diskutiert, ob ein Schulranzen über Warnfunktionen verfügen muss, um auch fremde Gefahrenquellen wie Autos oder andere Verkehrsteilnehmer umfassend zu berücksichtigen.

Konsens besteht darin, dass die Behörden tätig werden können, wenn ein Hersteller mit der Einhaltung der DIN-Norm wirbt, sein Produkt diese aber nicht erfüllt. Zudem besteht unabhängig von allem rechtlichen Für und Wider keine Pflicht, Schulranzen zu benutzen. Ein Ausweichen auf Rucksäcke oder Taschen ist immer möglich.

Revision der Norm bietet Chancen

Die DIN 58124 wird nun im Rahmen der regelmäßigen Anpassung an den Stand der Technik überarbeitet. Diese Revision bietet die Möglichkeit nach Wegen zu suchen, um Design- und Sichtbarkeitsanforderungen besser miteinander zu vereinen. Kann etwa fluoreszierendes Pink, großflächig eingesetzt, zu guten Sichtbarkeitswerten führen? Würden LED-gespeiste Flammen dem Drachen mehr Geltung verschaffen? Müssen reflektierende und fluoreszierende Flächen zusammenhängen oder ließe sich die Sichtbarkeit auch erhöhen, indem die Konturen stärker betont werden?

Augenmerk sollte bei der Überarbeitung der Norm auch auf die ergonomischen Anforderungen gelegt werden. Denn die ergonomische Ausgestaltung eines Schulranzens ist eine Produkteigenschaft, die unter das Produktsicherheitsgesetz fällt und damit für eine spätere Bekanntmachung der Norm im gemeinsamen Ministerialblatt relevant werden kann.

Um die offenen Fragen beantworten zu können, ist es wichtig, dass Sicherheitsexperten z.B. aus den Reihen der gesetzlichen Unfallversicherung, der Verbraucher und der Behörden aktiv an der Überarbeitung der Norm mitwirken. Parallel sollte der Ausschuss für Produktsicherheit (AfPS), der über die amtliche Listung der revidierten Norm zu entscheiden hat, die Überarbeitung begleiten. Außerdem wäre es hilfreich, Eltern, Schulen und andere Verantwortliche für die Auswahl geeigneter Schulranzen zu sensibilisieren. Für diese Aspekte setzt sich die KAN zusammen mit ihren Partnern ein.

Werner Sterk
sterk@kan.de