KANBrief 4/13

Nur für starke Jungs: Betätigungskräfte an Landmaschinen sind oft zu hoch

Landmaschinen besitzen eine Vielzahl von schweren Maschinenteilen, Klappen und Leitern, die der Anwender regelmäßig bewegen muss. Damit dies nicht zu schwer wird, sind in den Normen Höchstwerte für Betätigungskräfte angegeben. Aus Sicht von Arbeitsschützern sind diese Werte jedoch zu hoch. Auch fehlt ein einfaches Messverfahren, um an Maschinen Messungen durchzuführen. Um diese Wissenslücken zu schließen, hat die KAN eine Studie durchführen lassen.

Um Hebel zu betätigen, Klappen, Abdeckungen und Aufstiege zu schwenken oder zu arretieren und andere Bauteile zu bewegen, müssen Anwender von Landmaschinen bestimmte Kräfte aufbringen. Bei der Überarbeitung von Normen zu Landmaschinen stellten sich die Experten im Normungsgremium die Frage, ob die bestehenden Anforderungen zu Betätigungskräften überarbeitet werden müssen. In einigen Normen wird eine maximal zu erbringende Kraft von 400 N angegeben. Diese Kraft können aber zum Beispiel Frauen im Durchschnitt gar nicht aufbringen (vgl. Klußmann, A. et al.: ASER Handmaßund Kraftdatenbank. Schriftenreihe des Institut ASER e.V. Forschungsbericht). Hinzu kommt, dass es keine (bekannte) wissenschaftliche Begründung für die in den Normen angegebenen Werte gibt. Auch wurde bisher kein Messverfahren beschrieben, mit dem Hersteller oder auch Mitarbeiter von Berufsgenossenschaften Betätigungskräfte einfach,kostengünstig und dennoch reproduzierbar messen können.

Praktikables Messverfahren und ergonomisches Betätigen im Fokus

Die KAN hat 2012 beim Wuppertaler Institut ASER eine Studie in Auftrag gegeben, in der ein geeignetes Messverfahren bestimmt und für bestimmte Betätigungsfälle Empfehlungen für Kraftwerte erarbeitet werden sollten.

Das Projektteam untersuchte eine Vielzahl von Anwendungsfällen an Landmaschinen und führte dazu Messungen auf unterschiedliche Art und Weise durch: Eine Variante war, dass verschiedene Versuchspersonen mit handgehaltenen Messgeräten Stellteile in verschiedenen Körperhaltungen und Kraftrichtungen betätigten. Um einschätzen zu können, wie aussagekräftig diese Messungen mit Personen sind, wurden zum Vergleich Messungen mit Hilfe einer Seilwinde durchgeführt, die über einen Kraftaufnehmer mit dem Griff oder der Klappe verbunden war.

Ergebnisse für die Normung

Die Studie bestätigte die Einschätzung der Arbeitsschützer: Die Werte in den Normen sind deutlich zu hoch, wenn man nicht will, dass nur besonders kräftigen Personen das Bedienen von Landmaschinen möglich ist. Das bedeutet: Auch weibliche Auszubildende oder auf dem Hof mitarbeitende ältere Personen sollten berücksichtigt sein.

Feste Werte für bestimmte Anwendungsfälle, die in die Normen aufgenommen werden können, konnten im Rahmen der Studie nicht bestimmt werden. Die ermittelten Werte können aufgrund der kleinen Datenbasis nur empfehlenden Charakter haben. Um belastbare Werte zu erhalten, müsste die Datenbasis deutlich vergrößert werden.

Dennoch: Für Messgeräte und -methodik liefert die Studie gute Vorschläge. Handgehaltene Messgeräte, die sich an den Computer anschließen lassen, führen zu belastbaren Werten. Da sie zudem preisgünstig sind, ist ihr mobiler Einsatz für Mitarbeiter der Marktüberwachung, der Berufsgenossenschaften und beim Hersteller denkbar. Die Ergebnisse der Studie sind auch auf mobile Maschinen anderer Branchen (beispielsweise Baumaschinen) übertragbar.

Fazit für die Normung: Lösungen finden!

Die derzeit in Normen zu Landmaschinen angegebenen Kraftwerte sind zu hoch. Wichtig ist vor allem, den in der Studie aufgezeigten Ansatz nun weiterzuentwickeln. Die Normung benötigt entweder belastbare Werte auf der Grundlage einer erweiterten Datenbasis oder muss andere Lösungen finden, wie man die Anforderungen auch ohne konkrete Werte so fassen kann, dass sämtliche Nutzer von Landmaschinen sicher und ergonomisch arbeiten können.

Das in der Studie beschriebene Messverfahren wird die KAN – gegebenenfalls nach weiteren Untersuchungen – gemeinsam mit Arbeitsschutzexperten in einen Normvorschlag überführen und beim DIN einreichen.

 

Katharina von Rymon Lipinski
vonrymonlipinski@kan.de