KANBrief 2/13
Singapur ist nur wenig größer als Andorra, aber so bevölkerungsreich wie Dänemark. Seine Wirtschaft bietet ein ausgesprochen dynamisches Bild: Üblich sind Wochenarbeitszeiten von 46,2 Stunden, im Bauwesen sogar fast 53. Die Arbeitslosenquote lag 2012 bei 2 %. Rund 70 % der 3,36 Mio. Beschäftigten arbeiten im Dienstleistungsbereich, 16 % im produzierenden Gewerbe und 13 % im Bausektor (Ministry of Manpower. Labour Market, 2012, März 2013).
2005 startete die Singapurer Regierung eine grundlegende Reform des Arbeitsschutzgesetzgebung, um die Sicherheits- und Gesundheitsstandards am Arbeitsplatz zu verbessern. Eines der Hauptziele des Programms ist es, die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle von 4,9 je 100.000 Beschäftigte 2004 auf den Zielwert von weniger als 1,8 im Jahre 2018 zu senken (2012: 2,1). Im Jahr 2012 wurden insgesamt 407 Arbeitsunfälle je 100.000 Beschäftigte gemeldet. Die häufigste Ursache war Stolpern, Rutschen und Stürzen. Unter den Berufskrankheiten machte die Lärmschwerhörigkeit 88 % aller Fälle aus. Besonders unfallträchtig sind die Wirtschaftssektoren Bau, produzierendes Gewerbe und Schiffsbau (Workplace Safety and Health Institute, Workplace Safety and Health Report 2012, März 2013).
Arbeitsschutz und Unfallversicherung
Der 2006 verabschiedete Workplace Safety and Health Act (WSHA) stellt das Herzstück der Arbeitsschutzgesetzgebung in Singapur dar. Das Gesetz gilt für alle Arbeitsplätze und verpflichtet sämtliche Akteure, Risiken an der Quelle zu mindern (Risikobewertung, Festlegung von innerbetrieblichen Zuständigkeiten, etc.). Außerdem steht es für einen Paradigmenwechsel in der Gesetzgebung: weg von der bloßen Erfüllung gesetzlicher Sicherheitsvorgaben hin zur aktiven Beteiligung der Industrie an der Erarbeitung von Standards für den betrieblichen Arbeitsschutz. Alle Beteiligten müssen „in der Praxis vertretbare“ Maßnahmen ergreifen, um die Sicherheit und Gesundheit derjenigen sicherzustellen, auf die die Arbeit Auswirkungen haben kann – einschließlich der Öffentlichkeit.
Für bestimmte Maschinen und Arbeitsmittel fordert der WSHA explizit, dass diese sicher sein müssen (z.B. Gerüste, Gabelstapler, Pressen, Druckgeräte). Dies zu gewährleisten, ist gemeinsame Aufgabe der Hersteller, Lieferanten und Betreiber. Unterhalb des WSHA regeln 26 Verordnungen bestimmte Schwerpunktthemen wie Bau, Lärm, Asbest, Erste Hilfe oder Unfallmeldungen. Arbeitnehmer in Singapur sind durch eine arbeitgeberfinanzierte gesetzliche Unfallversicherung geschützt (Work Injury Compensations Act).
Sie leistet Entschädigungen bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit, übernimmt Behandlungskosten bis zu 30.000 S$ (etwa 18.500 ) und eine volle Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall von 14 Tagen, bei Krankenhausaufenthalt bis zu 60 Tagen. Nach Ablauf dieser Zeiträume erhalten Arbeitnehmer für maximal ein Jahr zwei Drittel des Gehalts.
Normung und Akkreditierung
Die Normung liegt in Singapur in der Hand des SPRING (Standards, Productivity and Innovation Board), einer dem Ministerium für Handel und Industrie nachgeordneten Agentur, zu deren Aufgaben auch die Unternehmensförderung gehört. Elf vom SPRING geführte Lenkungsgremien (zu Themen wie IT, Chemie, Bau, Energie) koordinieren die Erarbeitung von Normen in den Technischen Komitees und Arbeitsgruppen. Auf internationaler Ebene vertritt das SPRING Singapur in den Gremien von ISO und IEC.
Das SPRING rät Unternehmen, wann immer möglich internationale Normen anzuwenden. Nationale Normen (Singapore Standards) werden erarbeitet, wenn keine internationale Norm besteht – oder keine geeignete, die den Bedürfnissen der heimischen Wirtschaft gerecht wird. Derzeit gibt es rund 620 gültige nationale Normen, die sowohl die Produktsicherheit als auch betriebliche Arbeitsschutzaspekte behandeln. Sie werden in einem konsensbasierten Verfahren der interessierten Kreise erarbeitet und durchlaufen eine zweimonatige öffentliche Umfrage. Die Anwendung ist in der Regel freiwillig. Ausnahmen bilden Normen, die im staatlichen Auftrag erarbeitet werden, z.B. in den Bereichen Brandschutz und Arbeitsschutz. Das SPRING leitet darüber hinaus den Singapore Accreditation Council (SAC), der die nationalen Konformitätsbewertungsstellen akkreditiert (bis 2012 insgesamt 437 Akkreditierungen).
Arbeitsschutzstandards Im April 2008 wurde der Arbeitsschutzrat (WSHC) gegründet, um Unternehmen stärker am Arbeitsschutz und dessen Ergebnissen zu beteiligen. Er setzt sich aus insgesamt 17 Vertretern aus Industrie, Regierung, Gewerkschaften sowie den Bereichen Recht, Versicherung und Wissenschaft zusammen. In Zusammenarbeit mit der Industrie werden Leitfäden und Praxisanleitungen erstellt und geeignete Normen des SPRING als Anerkannte Regeln der Technik (Approved Codes of Practice) übernommen.
Michael Robert Sebastian Tan Shi Hao
robert@kan.de Sebastian_tan@mom.gov.sg