KANBrief 2/13
Christoph Preuße, Leiter der Abteilung Arbeitssicherheit bei der Berufsgenossenschaft Holz und Metall und Vorsitzender des ISO/TC 199 „Sicherheit von Maschinen“, erläutert, wie der Erfahrungsschatz aus der präventiven Arbeit der Unfallversicherungsträger auf möglichst vielen Ebenen dazu genutzt werden kann, um die Arbeitssicherheit zu verbessern.
Wie sind betriebliche Praxis und Prävention miteinander verbunden und wie gelangt Wissen von einer Ebene zur anderen?
Damit ein Informationsfluss entsteht, ist es entscheidend, dass alle beteiligten Fachleute eng miteinander vernetzt sind. Dazu zählen auf betrieblicher Ebene vor allem die Fachkräfte für Arbeitssicherheit, die Betriebsärzte, aber auch Betriebsräte und Führungskräfte. Deren direkte Ansprechpartner sind auf Seiten der Unfallversicherungsträger die Aufsichtspersonen, die wiederum intern auf Spezialisten zurückgreifen können, die in fachlichen Gruppen organisiert sind. Diese stehen in engem Kontakt mit den Fachbereichen der DGUV, die für branchenübergreifende Fragen zuständig sind. Hier werden Positionen erarbeitet, die dann in die Normung eingebracht werden können. So schließt sich dann der Kreislauf: Die Norm dient als Grundlage für die Gestaltung und Prüfung von Arbeitsmitteln und wirkt so wieder auf die betriebliche Ebene zurück.
Wieso ist gerade die Unfallversicherung besonders geeignet, diesen Transfer zu gewährleisten?
Unser Vorteil ist der Praxisbezug: Durch unsere Aufsichtstätigkeit kennen wir die betrieblichen Herausforderungen und Problemstellungen vor Ort. Unsere Prüf- und Zertifizierungsstellen sind mit den Produkten vertraut, können die Hersteller in sicherheitstechnischen Fragen beraten und Einkäufer bei der Auswahl sicherer Produkte unterstützen.
Wie validieren Sie die Informationen aus den Betrieben, um daraus eine tragfähige Position zu erarbeiten?
Statistiken von Unfällen können erste Anhaltspunkte liefern, sind jedoch als Zahlen in Kolonnen ein rein quantitatives Element. Daraus direkte Maßnahmen abzuleiten, ist in den überwiegenden Fällen schier nicht möglich. Erst die genaue fachspezifische Auswertung jedes einzelnen Unfalluntersuchungsberichtes zeigt, welche Gefährdungen unfallursächlich waren und wie diesen primär begegnet wurde.
Hinzu kommen Erkenntnisse, die sich aus einer genauen Betrachtung des Unfallhergangs und dem realen betrieblichen Umfeld ergeben. Dabei werden Faktoren wie Betriebsorganisation, Arbeitsmittel, Stand der Technik und Ausbildungsstand berücksichtigt. Die so gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage für die Erarbeitung von Prüfgrundsätzen, die betriebliche Regelsetzung und die Mitarbeit in Normungsgremien.
Die Normung ist ein kostspieliges Geschäft. Lohnt sich der Aufwand überhaupt?
Die aktive Mitarbeit von Fachleuten der Unfallversicherungsträger in Normungsgremien ist und bleibt enorm wichtig – nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer und internationaler Ebene. Natürlich braucht man hierfür Personal. Dafür gestalten wir aber aktiv gute Regeln, Normen und anerkannte Prüfgrundsätze mit.
Häufig werden Vorschläge unserer Fachleute gerade wegen der ausbalancierten Ausarbeitung – auf der einen Seite ein praktikables und bestmögliches Schutzkonzept, auf der anderen Seite technisch und auch kostenmäßig realisierbar – in die Norm aufgenommen.
Manchmal kommt es vor, dass wir mit unserer Arbeitsschutzposition im Normungsgremium allein dastehen. In diesen Fällen ist es hilfreich, die KAN einzuschalten, die durch ihr großes Netzwerk in Deutschland und Europa und durch die Einbindung aller Arbeitsschutzkreise ein wesentlich größeres politisches Gewicht geltend machen kann.
Gibt es auch auf europäischer Ebene Initiativen, um den Wissenstransfer in der Normung zu verbessern?
Ja, zum Beispiel das Projekt ErgoMach. Nutzer von Maschinen merken sehr schnell, wenn diese nicht ergonomisch gestaltet sind. Solche Informationen fließen aber zu selten zurück an die Hersteller, von der Marktüberwachung oder den Normungsgremien ganz zu schweigen. Die Kommunikationsplattform ErgoMach hat das Ziel, Nutzer, Maschinenkonstrukteure, Ergonomen, Marktüberwachungsbehörden, Arbeitsschutzexperten, Arbeitgeber, Betriebsärzte und Mitarbeiter in europäischen und internationalen Normungsgremien an einen Tisch zu bringen.