KANBrief 1/19
Normen leisten einen entscheidenden Beitrag zur Maschinensicherheit und sind ein zentrales Instrument der Prävention. Mit ihrer Hilfe können Arbeitsmittel sicher und ergonomisch gestaltet werden. Auf Grund dieser Tragweite hat die Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN) eine Analyse zur Aktualität von harmonisierten Normen der Maschinensicherheit durchgeführt.
Werden Normen auf Grundlage eines Normungsauftrags der Europäischen Kommission erstellt und im Amtsblatt der EU gelistet, so sind sie „harmonisiert“ und lösen die sogenannte Konformitätsvermutung aus. Der Normanwender kann davon ausgehen, dass er die in der Norm behandelten grundlegenden Anforderungen der europäischen Richtlinien erfüllt. Wenn die Normen aktuell sind und den Stand der Technik widerspiegeln, kann ein hohes Sicherheitsniveau gewährleistet werden.
Maschinensicherheitsnormen werden in Typ A, B und C unterschieden. Es gibt nur eine einzige harmonisierte Norm vom Typ A: EN ISO 121001 - Sicherheit von Maschinen – Allgemeine Gestaltungsleitsätze – Risikobeurteilung und Risikominderung. Sie stellt den Anwendern grundlegende Strategien oder Rahmenbedingungen bereit, die notwendig sind, um eine hinreichende Risikominderung zu erreichen. Typ–B-Normen beschreiben Grundsätze eines Sicherheitsaspektes (z.B. Lärm, Strahlung, Sicherheitsabstände) oder Anforderungen für die Konzeption und den Bau einer Schutzeinrichtung. Typ-C Normen beziehen sich auf ein spezifisches Produkt.
Erkenntnisse zu harmonisierten Normen zur Maschinensicherheit
Die KAN-Geschäftsstelle hat sich Typ-B und Typ-C-Normen bezüglich ihres inhaltlichen Alters näher angeschaut. Dabei wurde eine rein formale Aktualisierung des Anhangs ZA (beschreibt den Zusammenhang zwischen der Norm und den darin behandelten grundlegenden Anforderungen der jeweiligen Richtlinie) nach der Neufassung der Maschinenrichtlinie im Jahre 2006 oder aufgrund von Übersetzungsfehlern nicht als inhaltliche Überarbeitung angesehen.
Es zeigte sich, dass statistisch gesehen ein Großteil der harmonisierten Normen aktuell ist. Diesen Eindruck haben stichprobenartig befragte Experten bestätigt. Trotzdem sind einzelne Normen aus Sicht des Arbeitsschutzes verbesserungswürdig:
Beispielsweise kommt es bei mobilen Maschinen immer wieder zu Zusammenstößen mit Personen. Diese schweren Unfälle sind häufig auf unzureichende Sichtverhältnisse zurückzuführen. Die existierenden Normen waren nicht ausreichend. Deshalb wurde etwa der EN 474-1 „Erdbaumaschinen – Sicherheit“ die Vermutungswirkung entzogen. Es wurde festgestellt, dass die Norm zum Sichtfeld bei Erdbaumaschinen (ISO 5006:2006) nicht mehr dem Stand der Technik entsprach, siehe KANBrief 4/17 . Zwischenzeitlich gibt es die ISO 5006:2017, die für die meisten Punkte eine deutliche Verbesserung darstellt.
Produkte und Arbeitsplätze lassen sich nur sicher und gesund gestalten, wenn die hierfür verwendeten Körpermaßdaten mit den aktuell in der Bevölkerung vorhandenen Körpermaßen übereinstimmen. Körpermaße unterliegen aber einer ständigen Veränderung. Anlass für bisherige Aktualisierungen in Normen waren vor allem Veränderungen der Längenmaße in den letzten Jahrzehnten. Für die nun vorliegenden dramatischen Veränderungen der Breiten-, Tiefen-, Umfangs- und Gewichtsmaße wurden die Körpermaßdaten aber bislang nicht aktualisiert. DIN 33402-2:2005 und der CEN ISO/TR 7250-2:2013 enthalten identische Werte aus den Jahren 1999 bis 2002. Es werden dringend aktuelle Körpermaßdaten benötigt, siehe auch Positionspapier Anthropometrie des Normenausschusses Ergonomie (NAErg). .
Außerhalb der Maschinensicherheitsnormung gibt es ebenfalls Themenfelder: Personen müssen häufig in Behälter oder enge Räume einsteigen, um Wartungen oder Reparaturen durchzuführen. Die Öffnungen von Druckbehältern oder Tanks sind jedoch sehr oft gerade so groß, dass Personen der Einstieg gelingt. Falls es zu einem Unfall kommt und die Personen geborgen werden müssen, sind die Retter mit einer schwierigen, wenn nicht unmöglichen Aufgabe konfrontiert. Ursache dafür sind zu kleine Mindestmaße für die Öffnungen in Normen siehe KANBrief 2/13: Rettung aus Behältern und engen Räumen – ein unterschätztes Problem.
Ihre Mithilfe ist gefragt!
Diese Beispiele sind nur ein Ausschnitt – möglicherweise gibt es weiteren Verbesserungsbedarf, der der KAN oder den in der Normung aktiven Arbeitsschutzexperten noch nicht bekannt ist. Deswegen sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen! Weisen Sie uns auf arbeitsschutzrelevante Themen hin, die aus Ihrer Sicht bisher noch nicht angemessen berücksichtigt wurden. Dies gilt unabhängig vom Typ der jeweiligen Norm. Die Aufgabe der KAN ist es dann, als neutraler Akteur zwischen Sozialpartnern, Staat, gesetzlicher Unfallversicherung und DIN zu vermitteln, um eine Lösung im Sinne des Arbeitsschutzes zu erreichen.
Sebastian Korfmacher