KANBrief 1/19

KAN-Fachgespräch „Sichere Gestaltung von ­Therapieliegen“

Elektrisch höhenverstellbare Therapieliegen sind in Physiotherapiepraxen und Krankenhäusern weit verbreitet. Zwei Beschäftigte wurden in jüngster Zeit unter einer Liege eingeklemmt und tödlich verletzt. Die KAN brachte im Januar 2019 Fachleute der beteiligten Kreise zusammen, um die unterschiedlichen Positionen und die komplizierte Sachlage zu erörtern. Verschiedene Arbeiten wurden angestoßen, um die Gefahr an bestehenden und neuen Liegen zu reduzieren.

Bei zwei tödlichen Unfällen befand sich jeweils eine Beschäftigte unterhalb einer Therapieliege (auch Massage- oder Behandlungsliege genannt) und betätigte versehentlich mit dem Knie das am Boden befindliche Bedienelement zur Höhenverstellung. Die Liege fuhr herunter und klemmte die Personen ein. Darüber hinaus sind weitere Unfälle mit Beschäftigten, Patienten und Kindern in Deutschland und anderen Ländern bekannt, bei denen es zu Quetschungen, Frakturen oder auch zum Tod kam. Die Gefahr tritt vor allem bei Liegen mit Scheren- oder Gelenkarm-Mechanismus zum Heben und Senken auf. Eine Produktnorm für Therapieliegen gibt es bislang nicht.

Die Gefahr, unter einer Therapieliege eingeklemmt zu werden, ist schon länger bekannt. So hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im August 2004 eine Empfehlung veröffentlicht, in der es die grundlegenden Schutzziele beschreibt: Demnach sind automatisch höhenverstellbare Therapieliegen derart zu konstruieren, dass ein versehentliches Betätigen der Steuerung nicht möglich ist oder zu keiner Personengefährdung führen kann. In der Empfehlung sind auch Beispiele genannt, wie die Schutzziele erreicht werden können, etwa durch den Einbau einer Sperrbox. Mit dieser soll die Liege bei Nicht-Benutzung still gestellt werden, indem z.B. ein Stift aus dieser Sperrbox gezogen wird.

Die meisten neuen Liegen sind mit einer solchen Sperrbox ausgerüstet, und viele Bestandsliegen wurden mit Sperrboxen nachgerüstet. Einer der jüngsten tödlichen Unfälle ist an einer Therapieliege mit Sperrbox passiert – der Stift war nicht gezogen worden. Die andere Unfallliege verfügte über keine Sperrbox. Die Meinungen dazu, ob eine solche Sperrbox die geforderten Sicherheitsanforderungen erfüllt, gehen auseinander, da es sich hier im engeren Sinne nicht um eine technische, sondern um eine organisatorische Maßnahme handelt. Ob eine Sperrbox ihre Wirkung entfaltet, hängt vom Nutzer ab. In der Praxis ist nicht immer klar, welche Anforderungen eine Sperrbox überhaupt erfüllen muss.

KAN-Fachgespräch

Ziel des KAN-Fachgesprächs zur sicheren Gestaltung von Therapieliegen war es, alle beteiligten Kreise (Unfallversicherungsträger (UVT), BfArM, Länder, Betreiber, Sozialpartner, Normung …) an einen Tisch zu bringen, um zunächst über die unterschiedlichen Positionen und anschließend über ein mögliches gemeinsames Vorgehen zu diskutieren. Die Schwerpunkte der Veranstaltung, die in enger Abstimmung mit der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) organisiert wurde, lagen auf dem Inverkehrbringen neuer Liegen und auf den Bestandsliegen. Von diesen gibt es grob überschlagen rund 500.000 in Deutschland (wobei nicht alle höhenverstellbar sind).

Der Diskussionsbedarf war sehr groß. Bei den neuen Liegen wurde über die Erarbeitung einer Produktnorm diskutiert: Sollte eine nationale, europäische oder internationale Norm erarbeitet werden? Oder vielleicht erst einmal nur eine Vornorm? Oder reicht schon die Grundlagennorm für medizinische elektrische Geräte? Welche Schutzziele sollten erfüllt werden, bzw. wer sollte geschützt werden?

Bei den Bestandsliegen wurde über technische Maßnahmen und Nachrüstungen diskutiert: Welche Möglichkeiten gibt es? Nach welchen Kriterien müssten sie bewertet werden? Wer bezahlt eine Nachrüstung? Wird der Betreiber durch eine Nachrüstung zum Hersteller? Darüber hinaus wurde diskutiert, wie ein Schulterschluss der Länder und der Unfallversicherungsträger bei der Überwachung aussehen könnte.

Als Ergebnis des Fachgesprächs haben sich die Teilnehmenden bereit erklärt, in Arbeitsgruppen verschiedene Themen zu bearbeiten:

  • abgestimmte Beratung und Überwachung durch die Aufsichtsbehörden und Unfallversicherungsträger
  • Überprüfung der BfArM-Empfehlung aus dem Jahr 2004
  • Ermittlung und Bewertung verschiedener technischer Möglichkeiten zur Gestaltung sicherer Therapieliegen
  • Initiierung eines Standards für Therapieliegen im entsprechenden Normungsgremium der Deutschen Kommission Elektrotechnik (DKE)

Die Teilnehmenden wollen sich gegenseitig über den aktuellen Stand der jeweiligen Arbeiten austauschen und würden ein weiteres KAN-Fachgespräch im Frühjahr 2020 begrüßen.

Dr. Anna Dammann
dammann@kan.de