KANBrief 3/15

Künstliche, biologisch wirksame Beleuchtung: erst forschen, dann normen

Wenn am Arbeitsplatz natürliches Licht fehlt, liegt die Überlegung nahe, dieses über künstliche, biologisch wirksame Beleuchtung nachzuahmen. Da fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse über die Wirkung dieser noch jungen Technik bisher fehlen, ist es für einen flächendeckenden Einsatz aus Sicht des Arbeitsschutzes jedoch zu früh. Auch die Normung des konkreten Einsatzes sieht die KAN kritisch und hat ein Positionspapier verabschiedet, um für dieses Thema zu sensibilisieren. (HINWEIS der Redaktion: Die aktuelle Version des Positionspapiers können Sie hier herunterladen: KAN-Position Berücksichtigung nichtvisueller Wirkungen künstlicher Beleuchtung in der Normung, September 2022)

Künstliche, biologisch wirksame Beleuchtung ist eine Art der Beleuchtung, die versucht, das natürliche Tageslicht nachzubilden. In der Industrie gibt es bereits Bestrebungen, sie am Arbeitsplatz einzusetzen, um zum Beispiel eine angenehme und produktive Arbeitsumgebung zu schaffen. Dementsprechend ist die Nachfrage nach Planungsempfehlungen hoch. Der FNL 27, ein Unterausschuss des Normenausschusses Lichttechnik bei DIN, hat das Thema aufgegriffen und 2013 die DIN SPEC (Fachbericht) 67600 „Biologisch wirksame Beleuchtung – Planungsempfehlungen“ veröffentlicht.

Aktuell strebt der FNL 27 an, diese DIN SPEC in eine Norm mit Empfehlungen für die Anwendung von künstlicher, biologisch wirksamer Beleuchtung zu überführen. Auf der internationalen Ebene hat China bei ISO bereits ein Normvorhaben zum Thema künstliche, biologisch wirksame Beleuchtung initiiert.

Normung aus Arbeitsschutzsicht verfrüht

Aus Sicht des Arbeitsschutzes sind diese Vorhaben allerdings zu voreilig. Bisher fehlen wissenschaftlich ausreichend fundierte Erkenntnisse über die Wirkung der künstlichen, biologisch wirksamen Beleuchtung, so dass aktuell keine Empfehlungen zu ihrem Einsatz abgeleitet werden können.

Die Arbeitsschutzexperten verschließen sich keineswegs dem Nutzen, den dieses Licht mit sich bringen kann. Getreu dem Grundsatz „keine Wirkung ohne Nebenwirkungen“ müssen jedoch auch mögliche negative Effekte betrachtet werden. Falsches Licht zur falschen Zeit kann den Tagesrhythmus des Menschen durcheinander bringen. Ein möglicher Missbrauch biologisch wirksamen Lichtes als „Doping“ der Beschäftigten muss aus Arbeitsschutzsicht ausgeschlossen werden.

Beim 8. DIN-Expertenforum „Wirkung des Lichts auf den Menschen“ im Juni 2015 berichteten Wissenschaftler über die neuesten Erkenntnisse auf diesem Gebiet. Die vorgestellten Studien zeigten viele mögliche positive, aber auch mögliche negative Effekte auf. Außerdem wurde erneut deutlich, wie viele Faktoren die Wirkung von Licht beeinflussen. Auch aus diesem Grund sind weitere breiter angelegte Untersuchungen nötig, bevor konkrete Anwendungsempfehlungen abgeleitet werden können.

KAN-Positionspapier

Die KAN verfolgt diese Entwicklungen aufmerksam und hat ein Positionspapier verabschiedet, um einer verfrühten Normung und Anwendung entgegenzuwirken und darauf aufmerksam zu machen, dass es bisher an ausreichend gesicherten Erkenntnissen fehlt.

Ein weiterer Kritikpunkt der KAN ist, dass künstliche, biologisch wirksame Beleuchtung den betrieblichen Arbeitsschutz berührt. In diesem Bereich gelten in Deutschland der „Gemeinsame Deutsche Standpunkt“ (GDS) und das Grundsatzdokument zur Rolle der Normung im Bereich des betrieblichen Arbeitsschutzes. Die geplanten Normvorhaben kollidieren mit diesen Dokumenten, nach denen Anforderungen an den betrieblichen Arbeitsschutz in staatlichen Regeln oder im Regelwerk der Unfallversicherungsträger geregelt werden sollen.

Aus Sicht der KAN dürfen auch die in der DIN SPEC 67600 formulierten Anforderungen nicht ohne Einschränkungen umgesetzt werden. Den aktuellen Stand der Technik der Beleuchtung von Arbeitsstätten stellt in Deutschland die verbindliche Technische Regel für Arbeitsstätten ASR 3.4 „Beleuchtung“ dar. Hier werden jedoch angesichts der unklaren Sachlage bisher keine Aussagen über künstliches, biologisch wirksames Licht getroffen.

Generell gilt, dass natürliches Licht immer künstlicher Beleuchtung vorzuziehen ist. Wenn künstliches, biologisch wirksames Licht eingesetzt werden soll, muss aufgrund möglicher gesundheitlicher Risiken und aus ethischen Erwägungen der Einsatz in der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden. Diese ist bereits im Rahmen der Planungen durchzuführen.

Wie geht es weiter?

Normung im Bereich künstlicher, biologisch wirksamer Beleuchtung ist nicht aufzuhalten. Aus Sicht der KAN müssen jedoch zunächst weitere Studien den Nutzen und die Risiken klären. Die Arbeitsschutzkreise haben vereinbart, in einem Jahr den Kenntnisstand neu zu bewerten und das KAN-Positionspapier entsprechend anzupassen.

Anna Dammann                  Katharina von Rymon Lipinski
dammann@kan.de         vonrymonlipinski@kan.de