KANBrief 3/13

Rutschhemmung von Fußböden und Schuhen: Prüfergebnis ist nicht gleich Praxis

Die Reduzierung von Rutschunfällen stellt für die Akteure des betrieblichen Arbeitsschutzes ein wichtiges Anliegen dar. Eine zentrale Rolle spielt dabei die richtige Auswahl rutschhemmender Fußboden-Schuh-Kombinationen. Dies kann nur gelingen, wenn die Prüfverfahren zur Ermittlung der Rutschhemmung praxisgerecht sind. Forscher der Universität Wuppertal haben die Eignung aktueller Prüfverfahren hinterfragt und zielgerichtete Verbesserungsvorschläge erarbeitet (Die ausführlichen Ergebnisse werden in Kürze in der Dissertation „Entwicklung einer Rutschhemmungsmatrix zur Auswahl von Fußböden und Schuhen zur Reduzierung von Ausgleitunfällen“ veröffentlicht).

Das Ausrutschen beim Gehen stellt in Deutschland mit ca. 10 Prozent aller Arbeitsunfälle einen Schwerpunkt in der Unfallstatistik dar. In einem von der DGUV geförderten Forschungsprojekt wurde von 2009 bis 2012 an der Bergischen Universität Wuppertal eine Rutschhemmungsmatrix entwickelt, mit der die Rutschgefährdung in Abhängigkeit von den rutschhemmenden Potentialen von Fußböden und Schuhen prognostiziert und mittels Ampelfarben dargestellt werden kann. Dies bietet dem Anwender die Chance, die Gefährdungsbeurteilung wesentlich zu vereinfachen und rutschhemmende Fußböden und Schuhe anhand nachvollziehbarer Kriterien auszuwählen.

Voraussetzung für die richtige Auswahl sind valide Ergebnisse von genormten Prüfverfahren. Anwender müssen davon ausgehen können, dass Produkte mit besseren Prüfergebnissen auch beim praktischen Einsatz am Arbeitsplatz ein besseres Schutzniveau aufweisen. Untersuchungen hatten jedoch gezeigt, dass Schuhe und Böden bei der Baumusterprüfung zum Teil falsch bewertet werden. Daher wurde diese Fragestellung aufgegriffen und die Validität genormter Verfahren überprüft. Aus den Ergebnissen wurden Veränderungsvorschläge abgeleitet.

Welcher Schuh zu welchem Boden?

In umfangreichen empirischen Untersuchungen wurden die Reibungskoeffizienten von 90 Fußböden in Kombination mit 100 Sicherheitsund Straßenschuhen und den Zwischenmedien Wasser mit Seifenzusatz sowie Motoröl gemessen. Damit war ein repräsentatives Abbild von praktischen Situationen gewährleistet. Aus den Ergebnissen konnte das durchschnittliche rutschhemmende Potential von Fußböden und Schuhen für jedes Zwischenmedium ermittelt und „Praxisrangfolgen“ erstellt werden, die den tatsächlichen Gegebenheiten nahekommen.

Diese Praxisrangfolgen wurden durch Korrelationsanalysen mit „Normrangfolgen“ verglichen, die anhand von genormten Prüfverfahren ermittelt wurden. Darunter befanden sich alle europäischen und deutschen Baumusterprüfverfahren für Fußböden sowie für Sicherheits-, Schutz- und Berufsschuhe.

Nasse Böden und Schuhe auf Öl sind problematisch

Bei Fußböden ist eine praxisgerechte Produktbewertung derzeit nur mit dem Prüfverfahren nach der Technischen Regel für Arbeitsstätten ASR A1.5/1,2 „Fußböden“ bzw. DIN 51130 (Prüfung von Bodenbelägen – Bestimmung  der rutschhemmenden  Eigenschaft – Arbeitsräume und  Arbeitsbereiche mit Rutschgefahr,  Begehungsverfahren – Schiefe Ebene) „Schiefe Ebene“ für Böden in öligen Arbeitsbereichen gegeben. Die Bewertung von Sicherheitsschuhen entspricht in der Prüfkombination Keramikfliese/Wasser nach DIN EN ISO 13287 (Persönliche Schutzausrüstung – Schuhe – Prüfverfahren zur Bestimmung der Rutschhemmung) der Rutschhemmung von Schuhen in Praxissituationen.

Alle anderen für Baumusterprüfungen verwendeten genormten Prüfverfahren weisen keine ausreichende Korrelation zu den ermittelten Praxisrangfolgen auf. Dieses Ergebnis weist deutlich darauf hin, dass insbesondere für Fußböden in Arbeitsbereichen mit auftretender Nässe und für Schuhe in öligen Arbeitsbereichen keine geeigneten genormten Prüfverfahren existieren.

Ursächlich für die falsche Bewertung sind die verwendeten Referenzmaterialien und Prüfmedien. Für eine valide Prüfung der rutschhemmenden Eigenschaften von Fußböden bei Nässe wurde im Rahmen des Forschungsprojektes die Referenzsohle „StarLP“ mit dem Prüfmedium Wasser ermittelt. Für Schuhe in öligen Arbeitsbereichen erwies sich der Referenzboden „Standardbelag II“ mit dem Prüfmedium Motoröl als geeignet.

Folgerungen für die Normung

Die zuständigen Normungsgremien in Europa (CEN/TC 339 für Fußböden und CEN/TC 161 für Schuhe) sowie die Regelsetzer in Deutschland sollten die Vorschläge für valide Prüfverfahren aufnehmen, Erfahrungen mit den Referenzmaterialien insbesondere hinsichtlich Messunsicherheit und Vergleichbarkeit zwischen Laboratorien sammeln und die Prüfverfahren mittelfristig überarbeiten. Dies böte die Chance, durch eine differenziertere Produktbewertung die praxisgerechte Auswahl von Schuhen und Böden zu erleichtern und die hohe Anzahl an Rutschunfällen nachhaltig zu reduzieren.

Dr. Christoph Wetzel
c.wetzel@bghw.de