KANBrief 3/13

Diversity – die Vielfalt in der Arbeitswelt erkennen und schätzen

Der Begriff Diversität hat in jüngster Zeit Einzug in die Arbeitswelt gehalten. Er beschreibt die Unterschiedlichkeit der Mitarbeiter als Potenzial und beinhaltet viele und ganz verschiedene Aspekte: Geschlecht, Alter, Kultur und Nationalität, Leistungsfähigkeit, Unternehmenskultur etc. Wie gehen Betriebe mit dieser Vielfalt um? Welchen Einfluss haben sie auf Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit? Und wie kann die Normung dieses Thema mit Blick auf den Arbeitsschutz umsetzen?

In großen Betrieben gibt es derzeit einen Trend, das Diversitätsmanagement zu institutionalisieren. Hier stehen allerdings häufig Geschlechterfragen (Gender) im Fokus und damit vorrangig Themen wie Arbeitsorganisation, Arbeitszeiten, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, weniger also die Sicherheit von Arbeitsmitteln. Auch ist es längst Realität in Betrieben, dass Arbeitsteams mehrere Nationalitäten in sich vereinen. Kulturelle Unterschiede können ein unterschiedliches Verständnis von Sicherheit bedeuten, und damit einen unterschiedlichen Umgang mit Arbeitsmitteln nach sich ziehen. In Normen, die sicherheitstechnische Anforderungen formulieren, oder in ergonomischen Normen, die den Einsatz dieser Arbeitsmittel behandeln, ist es längst üblich, dass der Blick auf beide Geschlechter gerichtet wird. Aber wie sieht es mit den anderen Aspekten der Diversität aus? Welche Relevanz haben sie für die sichere Gestaltung von Arbeitsmitteln, also für die Normung?

Vom Wort her scheinen sich Diversität und Standardisierung erst einmal zu widersprechen. Aber Hersteller von Arbeitsmitteln sind daran interessiert, dass möglichst viele Personen ihre Produkte nutzen können. Das wiederum passt zu Diversität. Ergonomische Normen, die Eigenschaften von Nutzern beschreiben, wie z.B. anthropometrische Maße, decken diese Vielfalt durch die Angabe von Perzentilen ab. Bei vielen menschlichen Eigenschaften sind jedoch die interindividuellen Unterschiede so groß, dass Perzentile nicht sinnvoll ermittelbar sind.

Möglicherweise muss umgedacht werden, was vor diesem Hintergrund Gegenstand einer diversitätsorientierten Norm sein kann. Zwei wesentliche Prinzipien lassen sich festhalten, die in der Normung vereinzelt bereits realisiert sind:

1) Wo möglich, sollte die Gestaltung eines Produkts so vorgenommen werden, dass die zukünftige Nutzergruppe möglichst groß ist und damit vielfältig sein kann.

Das ist die Grundlage für barrierefreie Gestaltung. Die beiden DIN-Fachberichte 124 „Gestaltung barrierefreier Produkte“ und 131 „Leitlinien für Normungsgremien zur Berücksichtigung der Bedürfnisse von älteren Menschen und von Menschen mit Behinderungen“ führen diesen Aspekt näher aus.

Beispiel Mehrkanalprinzip: Fällt durch eine Behinderung ein Sinnesorgan komplett aus, sollte gleichzeitig ein weiterer Sinn angesprochen werden, über den ein Signal wahrgenommen werden kann. Eine Produktnorm könnte also mehrere Realisierungsmöglichkeiten für Wahrnehmungsaufgaben aufzeigen. Menschen mit einer Behinderung, die eines der Sinnesorgane betrifft, können dann trotzdem zur Nutzergruppe gehören.

2) Das zweite Prinzip schränkt wieder ein: In den Punkten, die Auswirkungen auf die Sicherheit bei der Nutzung haben, muss die potenzielle Nutzergruppe klar eingegrenzt werden.

So sind für die Nutzung bestimmter Maschinen wie eines Brückenkrans, eines Gabelstaplers etc. einschlägige Kompetenzen notwendig, die eine entsprechende Qualifizierung voraussetzen. Diese kann mit Personen unterschiedlichen Alters, kulturellen Hintergrunds oder auch in verschiedenen Sprachen durchgeführt werden. Dieses Prinzip zeigt, dass aus Sicherheitsgründen an manchen Stellen bewusst Barrieren eingebaut werden müssen.

Im Zuge der Risikoanalyse bestimmt ein Konstrukteur ohnehin die zukünftige Nutzergruppe seines Produktes. Die Normenreihe DIN ISO 20282 „Einfachheit der Handhabung von Produkten des täglichen Gebrauchs“, Teil 1 und 2, unterstützt den dann folgenden Prozess, die Gebrauchstauglichkeit für die Benutzer zu ermitteln, allerdings bezogen auf Produkte für den täglichen Gebrauch. Eine Übertragung dieser Norminhalte auf die Nutzung von Arbeitsmitteln könnte hilfreich sein, um dem Diversitätsansatz in der Arbeitswelt näher zu kommen.

Dr. Hanna Zieschang
hanna.zieschang@dguv.de