KANBrief 2/17
Durch die Digitalisierung entstehen vielfältige Möglichkeiten zur Gestaltung von Arbeit und damit auch neue Chancen für den Arbeitsschutz. Dies betrifft alle Formen von Arbeit – von vorwiegend geistigen bis hin zu vorwiegend körperlichen Tätigkeiten. Die Herausforderung besteht darin, die Vielfalt der Möglichkeiten zu nutzen und Lösungen zu finden, die den Bedürfnissen des jeweiligen Betriebs entsprechen.
Digitalisierung bedeutet, dass Informationen aller Art elektronisch gehandhabt und vernetzt werden – so entsteht ein leistungsfähiges Informationsmanagement. Dieses ermöglicht beispielsweise, Arbeitspläne und -anweisungen situationsspezifisch je nach Arbeitsfortschritt, Produktkonfiguration und Vorerfahrungen der Beschäftigten aufzubereiten. Für die Darstellung können nicht nur Bildschirme, sondern auch Datenbrillen und Projektionen in den Arbeitsbereich genutzt werden. So entstehen direkte Bezüge zwischen dem Arbeitsobjekt und der dargestellten Information (siehe Abbildung). Der Suchaufwand nach relevanten Informationen kann somit stark begrenzt und Beschäftigte können entsprechend entlastet werden. Wichtig ist dabei, dass die konkrete Ausgestaltung – zum Beispiel die Auswahl relevanter Informationen und die Art ihrer Darstellung – den spezifischen Bedarfen im Unternehmen entspricht und somit von allen Beteiligten akzeptiert wird.
Die computergestützte Handhabung großer Informationsmengen ermöglicht es auch, die Personaleinsatzplanung zu verbessern. Bei der Zuordnung von Beschäftigten zu Arbeitsaufgaben kann über die Anwesenheit und Qualifikation hinaus auch die jeweilige Belastungs-Beanspruchungs-Situation berücksichtigt werden. Diese lässt sich mithilfe von Personen-, Arbeitsplatz- und Aufgabenprofilen nach etablierten Vorgehensweisen, wie den Leitmerkmalmethoden, computergestützt bestimmen und im Planungsprozess berücksichtigen. Ein solches System kann außerdem dazu genutzt werden, bestimmte Aufgaben in einem festgelegten Zeitraum jeder Person mindestens einmal zuzuordnen, damit ein ausreichender Übungsgrad und damit auch die Kenntnis aufgabenbezogener arbeitsschutzspezifischer Informationen erhalten bleibt. Dazu gehören auch Ansätze systematischer Rotation, die dafür sorgen, dass regelmäßige Änderungen der Belastungs-Beanspruchungs-Situation erfolgen und somit Belastungen über ein Personenkollektiv besser verteilt werden.
Darüber hinaus ermöglicht die Digitalisierung die Übertragung von monotonen Transportaufgaben an fahrerlose Transportsysteme sowie die Übertragung stark beanspruchender Tätigkeitsanteile an kollaborierende Roboter. Spezifische Stärken von Mensch und Roboter können so gezielt kombiniert und das muskuloskelettale System des Menschen besser vor Überbeanspruchung und ihren Folgen geschützt werden. Damit diese Vorteile nutzbar werden, muss die Kollaboration so gestaltet werden, dass Beschäftigte den Roboter als „handelndes Hilfsmittel“ akzeptieren. Außerdem ist durch Sensorik und entsprechende Steuerungssoftware sicherzustellen, dass Kollisionen zwischen Mensch und Roboter vermieden werden. Konstruktive Ansätze wie der Einsatz von Leichtbaurobotern mit geringerer Bewegungsmasse begrenzen die auftretenden Kräfte.
Die exemplarischen Darstellungen zeigen, dass die Digitalisierung zahlreiche neue Möglichkeiten bietet (weitere Informationen: ifaa-Broschüre „Digitalisierung & Industrie 4.0“ (pdf)). Entscheidend ist, dass die Unternehmen diese Chance erkennen und dabei auch das Potential für den Arbeitsschutz sinnvoll nutzen.
Dr.-Ing. Tim Jeske t.jeske@ifaa-mail.de Prof. Dr.-Ing. Sascha Stowasser s.stowasser@ifaa-mail.de
Ergonomie in der Industrie 4.0
Für den Menschen ergeben sich durch die Digitalisierung viele neue Anforderungen und Belastungen, welche es bei der Arbeitsgestaltung zu beachten gilt. Die „Deutsche Normungs-Roadmap Industrie 4.0“ (pdf) von DIN und DKE skizziert die Handlungsfelder für eine menschengerechte Arbeitsgestaltung in der Industrie 4.0.
Der neu eingerichtete DIN-Normenausschuss „Ergonomie der Arbeits- und Produktgestaltung in der Industrie 4.0“ setzt sich zum Ziel, Standards für die Arbeits- und Produktgestaltung in der Industrie 4.0 zu definieren. Der Ausschuss soll zunächst bestehende Normen überprüfen und bei Bedarf aktualisieren sowie neue Normungsbedarfe aufzeigen. Erste Ergebnisse sollen Anfang 2018 vorliegen.
Dr.-Ing. Patricia Stock, Stellvertretende Obfrau des NA „Ergonomie der Arbeits- und Produktgestaltung in der Industrie 4.0“