KANBrief 4/12

Maschinensicherheit: Manipulationsanreiz verringern ist das A und O

Rund 37 % der Schutzeinrichtungen an Maschinen sind einer Studie (Manipulation von Schutzeinrichtungen an Maschinen, HVBG, 2006) zufolge vorübergehend oder ständig manipuliert. Dies betrifft nicht nur veraltete Maschinen, wie man vielleicht erwarten könnte, sondern in großem Umfang auch Maschinen neueren Baujahrs. Der Schlüssel zur Lösung des Problems liegt darin, die Bedürfnisse der Benutzer stärker zu berücksichtigen und damit den Anreiz zur Manipulation so weit wie möglich zu verringern.

Häufig sind Manipulationen darauf zurückzuführen, dass die Maschinen für die Inbetriebnahme, Einricht- und Einstellarbeiten oder die Störungsbeseitigung über keine sicherheitsgerechten Lösungen verfügen. Sie sind also entgegen den Anforderungen der EU-Maschinenrichtlinie nicht für alle erforderlichen Betriebsarten vorbereitet und können ohne Manipulation nicht betrieben werden.

Erstaunlicherweise werden jedoch auch solche Maschinen manipuliert, die eigentlich über sicherheitsgerechte Lösungen verfügen. Ursache hierfür sind in der Regel ergonomische Schwachstellen im Sicherheits- und Bedienkonzept der Maschinen: Insbesondere Einschränkungen der Sicht und des möglichen Arbeitstempos stören den Bediener und geben ihm einen permanenten Anreiz, die Schutzeinrichtungen außer Kraft zu setzen.

Hersteller in der Pflicht

In Deutschland ist zwar in § 15(2) Arbeitsschutzgesetz geregelt, dass Beschäftigte Maschinen und Schutzvorrichtungen bestimmungsgemäß zu verwenden haben. Der Hersteller darf sich jedoch nicht allein darauf verlassen, dass der Betreiber dies in allen Fällen sicherstellen kann: Die Maßnahmen des Betreibers laufen ins Leere, wenn die Maschine kein durchdachtes Sicherheitskonzept aufweist.

Laut Anhang I (1) der EU-Maschinenrichtlinie müssen Hersteller neben dem bestimmungsgemäßen Gebrauch auch die vernünftigerweise vorhersehbare Fehlanwendung einer Maschine berücksichtigen. Wenn Schutzeinrichtungen den Betrieb von Maschinen stören, ist Manipulation im wörtlichen Sinn vorhersehbar.

Auch die Maschinensicherheitsgrundnorm EN ISO 12100 "Sicherheit von Maschinen – Allgemeine  Gestaltungsleitsätze – Risikobeurteilung  und Risikominderung" fordert die Berücksichtigung der vorhersehbaren Fehlanwendung. Allerdings enthalten bisher nur wenige Produktnormen konkrete Hinweise, wie man der Manipulation vorbeugen kann. Es wäre sinnvoll, entsprechende Festlegungen und Anforderungen in weiteren Produktnormen aufzunehmen. Normen müssen zudem gegebenenfalls um fehlende Betriebsarten ergänzt werden.

Oberstes Ziel: Manipulationsanreiz verringern

Hersteller können der Manipulation wirksam vorbeugen, indem sie schon bei der Konstruktion folgende drei Grundsätze befolgen:

1. Manipulation verhindern, indem Maschinen so konstruiert werden, dass der Manipulationsanreiz möglichst gering ist.

2. Manipulation erschweren, zum Beispiel durch Positionsschalter mit individueller Kodierung oder RFID-Technik.

3. Bestehende Manipulation erkennen, beispielsweise anhand von Plausibilitätsprüfungen durch intelligente Maschinensteuerungen (SPS).

Der wichtigste Ansatzpunkt zur Vermeidung der Manipulation ist somit die Konzeption einer Maschine. Fehlt in dieser frühen Phase ein durchgängiges Sicherheits- und Bedienkonzept, das die Bedürfnisse des Bedieners berücksichtigt, dann können alle weiteren Maßnahmen nur noch korrigierend eingreifen.

Sicherheitskultur in Unternehmen verbessern

Gleichzeitig ist auch die betriebliche Ebene gefragt. Eine DGUV-Studie stellt fest, dass in vielen der untersuchten Betreiberfirmen Manipulation geduldet wird, vereinzelt wird sogar animiert zu manipulieren. Dennoch sehen viele Maschinenbetreiber keinen unmittelbaren Handlungsbedarf, obwohl mit Manipulation gegen die Betriebssicherheitsverordnung (Anhang 2, 2.3) verstoßen wird.

Bediener unterschätzen oft erheblich die Gefahren, die von einer manipulierten Schutzeinrichtung ausgehen. Die Betreiber müssen daher für eine Sicherheitskultur sorgen, die sich offensiv mit dem Thema Manipulation auseinandersetzt. Dazu gehört auch, die Bediener durch deutliche Hinweise auf Gefahren, Schulungen und Sanktionen für das Thema Manipulation zu sensibilisieren.

Hilfestellung finden Hersteller, Händler und Betreiber auf der Internetseite, zum Beispiel in Form einer Tabelle zur Ermittlung des Manipulationsanreizes, konstruktiven Musterlösungen oder Checklisten.

Ralf Apfeld
ralf.apfeld@dguv.de