KANBrief 2/21
Forschende untersuchen im Auftrag der BGHW, was es beim Einsatz von Datenbrillen aus Arbeitsschutzsicht zu
beachten gilt.
Seit einigen Jahren werden Datenbrillen in verschiedenen Bereichen wie der Lagerlogistik, der Montage, der Produktplanung oder zur Unterstützung medizinischer Eingriffe vor allem im Rahmen von Pilotstudien eingesetzt. Doch vor allem im Bereich der Logistik hat die Anwendung in den letzten Jahren erheblichen Aufwind bekommen, als große Unternehmen die ersten Pilotprojekte in die betriebliche Praxis überführt haben. Die Vorteile von Datenbrillen sollen hierbei sehr vielfältig sein. So werden regelmäßig Effizienzsteigerung, bessere Verfügbarkeit und Visualisierung von Daten, einfachere Inklusion und die Veränderung und Auflösung von Zwangshaltungen genannt. Dem gegenüber stehen mindestens genauso vielfältige potenzielle Auswirkungen auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten, die künftig Datenbrillen täglich als Arbeitsmittel einsetzen. Diese Aspekte umfassen die Mitarbeiterakzeptanz, die Belastung durch elektromagnetische Felder, Veränderungen im Bereich der Augen, das Ablenkungsvermögen und damit indirekt die Unfallgefahr, etwa den Anstieg der Sturz-, Rutsch- und Stolpergefahr durch eine Beeinflussung des Gleichgewichts.
Jedes einzelne dieser Themengebiete ist in sich durch zahlreiche Fragestellungen mit uneindeutigen Antworten geprägt. Dies zeigt exemplarisch eine gezielte Literaturrecherche zum Thema Akzeptanz von Datenbrillen. Einige Studien untersuchen die Akzeptanz von Datenbrillen in der Allgemeinbevölkerung, andere mithilfe von Studierenden an ihrer Hochschule. Nur wenige Untersuchungen werden mit Logistikexperten in den Unternehmen oder Experten durchgeführt.
Eine Betrachtung aller Literaturergebnisse zeigt, dass die Nutzer von Datenbrillen die Themen Datenschutz und Gesundheitsschutz kritisch bewerten. Auch der Tragekomfort, der sich auf das Gewicht und die Fixierung der Datenbrillen am Kopf bezieht, wird häufig kritisiert. Dies ist ein Aspekt, der vielschichtig mit der Akzeptanz verwoben zu sein scheint. So wünschen sich Nutzer eine flexible Displaypositionierung und eine hohe Displayauflösung. Darüber hinaus wird großer Wert auf eine ergonomische Informationsdarstellung gelegt, denn die Grundsätze der Softwareergonomie sind zwar z.B. in der Normenreihe EN ISO 9241 allgemein beschrieben und auch für neue Medien gültig, stellen aber Softwareentwickler vor die Frage, wie diese auf einem neuen Medium umgesetzt werden können. Nicht wenige verwerfen diese Fragen daher. Als Ergebnis einer Studie von Kim et al. wird empfohlen, eine grafikbasierte Informationsdarstellung zu fördern. Eine von Koelle et al. durchgeführte Befragung von 51 Experten prognostiziert, dass bis 2026 eine verstärkte Akzeptanz von Datenbrillen zu erwarten ist. Nützlichkeit, Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit werden als die wichtigsten Faktoren für eine langfristige Akzeptanz identifiziert. Bestehende Usability-Probleme müssen durch die Einführung neuartiger Interaktionsmethoden und Visualisierungstechniken angegangen werden. Doch der Sachverhalt ist noch komplizierter. Terhoeven et al. berichten in ihrer Studie, dass die Akzeptanz von Datenbrillen von der spezifischen Anwendung abhängt. Während die Datenbrillen im Anwendungsfall “Kommissionierung” von den Werkern eher negativ bewertet werden, sind die Bewertungen im Anwendungsfall “Montage” durchaus positiv. Auch Wille et al. beobachten, dass die Bewertung der neuen Technologie von der Technikaffinität der Befragten abhängt.
Am Beispiel der Akzeptanz erkennt man, wie viele offene Fragen noch beantwortet werden müssen. Aus diesem Grund wurden vor einigen Jahren die Hochschule Koblenz, das Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin, die South Bank University London und das Institut für Arbeitsschutz der DGUV von der Berufsgenossenschaft für Handel und Warenlogistik (BGHW) mit dem Projekt ADAG (Auswirkung von Datenbrillen auf Arbeitsschutz und Gesundheit) beauftragt, um mit praxisnahen Studien diese wichtigen Fragen zu klären. Ziel hierbei ist, aufbauend auf den Ergebnissen Arbeitnehmern und Arbeitgebern Handlungsempfehlungen an die Hand zu geben, damit die Einführung dieser neuen Technologie wirtschaftlich gelingt und gleichzeitig die Einhaltung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes gewährleistet ist.
Daniel Friemert
Vertretungsprofessor im
Fachbereich Mathematik und Technik der Hochschule Koblenz
friemert@hs-koblenz.de