DIN Pitch zu innovativen Arbeitswelten und Normung

Logo DIN Online Pitch 2022 © DIN

Am 16. Juni 2022 hat die KAN zum Thema „Innovative Arbeitswelten und Normung – Herausforderungen für Sicherheit und Gesundheitsschutz“ eine Ausgabe der Veranstaltungsreihe DIN Pitch gestaltet. Kurze Vorträge informierten anhand praktischer Beispiele darüber, warum innovative Produkte und Technologien sich nicht nur in der Normung widerspiegeln, sondern auch für den Arbeitsschutz relevant sind.

Nach einleitenden Worten des amtierenden Vorsitzenden der KAN, Benjamin Pfalz, und einer Kurzvorstellung der KAN folgten Einblicke in die Themen smarte PSA, nicht-visuelle Wirkungen von Licht, Datenbrillen, Cybersecurity und Künstliche Intelligenz. Ein Blick auf den europäischen Rechtsrahmen rundete die Veranstaltung ab.

Einblick in die einzelnen Themen:

Smarte PSA, zum Beispiel eine mit Sensoren ausgestattete Feuerwehrjacke zur Überwachung der Körperfunktionen und Umgebungstemperatur, kann die Sicherheit der PSA-Nutzer erhöhen und dazu beitragen, ihre Gesundheit besser zu schützen. Die Herausforderung besteht allerdings darin, die Innovation und den Zugewinn an Sicherheit auch an den Arbeitsplatz zu bringen. Eine Umfrage unter Feuerwehrleuten hat gezeigt, dass Nutzer bereits in die Entwicklung der smarten PSA einbezogen werden sollten, um später deren Akzeptanz zu erhöhen. Die Normung zu smarter PSA steht noch am Anfang, was es Herstellern erschwert, ihre Produkte auf den Markt zu bringen. Denn Prüfstellen orientieren sich insbesondere an harmonisierten Produktnormen, wovon auf europäischer Ebene gerade erst eine zu smarter PSA abgeschlossen wurde.

Licht hat biologische Wirkungen auf den menschlichen Organismus, die über das Sehen hinausgehen. Diese sogenannten nicht-visuellen Wirkungen von Licht wirken sich auf die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten aus. In innovativen Lichtkonzepten kann dies z. B. zur Unterstützung nachts arbeitender Menschen geschehen. Arbeitsschützer sehen jedoch auch die Gefahren, die bei unsachgemäßer Anwendung lauern. Hersteller drängten mit innovativen Lichtkonzepten auf den Markt und erarbeiteten die DIN SPEC 67600 mit Planungsempfehlungen, die jedoch unter den betrieblichen Arbeitsschutz fallen und nicht durch die Normung geregelt werden sollen. Die KAN hat neben einer Literaturstudie in mehreren Workshops und Fachgesprächen die Meinung aller interessierten Kreise gebündelt und konsensbasierte Stellungnahmen erarbeitet. Die DIN SPEC wurde umformuliert und die neue Fassung voraussichtlich noch 2022 veröffentlicht.

Datenbrillen werden bisher vor allem eingesetzt, um über Softwareanwendungen die Wahrnehmungen der Benutzerinnen und Benuter zu erweitern (Augmented Reality): Das heißt, die Umgebung wird wahrgenommen und über kleine Bildschirme am Brillenrand werden computergenerierte Daten zusätzlich ins Sichtfeld eingeblendet. Pilotprojekte unter Beteiligung der Unfallversicherungsträger laufen z. B. im Bereich der Lagerlogistik und der Montage. Zur Gewährleistung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sind die aus den bisherigen Forschungsprojekten gewonnenen Ergebnisse in Handlungsempfehlungen zusammengefasst, die den Beschäftigten und Unternehmern zur Verfügung stehen. Auch Produktanforderungen an Datenbrillen sind erforderlich, die Normung hierzu steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Für 2022 ist die Einrichtung eines DIN-Arbeitskreises Datenbrillen geplant, der die Ergebnisse der Arbeitsschutzforschung und die Wünsche der Nutzenden in die Normung einbringt. Ziel ist auch hier, den Arbeitsschutz von Anfang an mitzudenken, damit die Produkte sicher, gesund und akzeptiert sind.

Cybersecurity und Künstliche Intelligenz gewinnen in innovativen Arbeitswelten immer mehr an Bedeutung. Im Vergleich zur „traditionellen“ Technik, in der Produkte und Anlagen klar definierten Umgebungsbedingungen ausgesetzt waren, sehen sich online betriebene Anwendungen permanent mit der dynamischen Bedrohungslage aus dem Netz konfrontiert. Die Herausforderung besteht für Hersteller und Betreiber gleichermaßen darin, die Sicherheit von Produkten und Anlagen trotzdem während ihres gesamten Lebenszyklus zu gewährleisten. Das Inverkehrbringen komplexer KI-Anwendungen stellt Gesetzgeber und Normung vor große Herausforderungen. Insbesondere gilt dies für nach Inbetriebnahme weiterlernende KI-Technologien. Die Verantwortungsbereiche für Inverkehrbringer und Verwender – im europäischen Rechtsrahmen bisher klar voneinander abgegrenzt – werden für die Anwendungsbereiche der beiden geplanten neuen Verordnungen über Künstliche Intelligenz bzw. Cybersecurity zukünftig wahrscheinlich differenzierter geregelt. Darin liegen neben der dynamischen Entwicklung und dem schnellen technologischen Fortschritt nicht zuletzt auch die Herausforderungen für die Normung.

Der Europäische Rechtsrahmen für die Normung: Der AEUV (Vertrag zur Arbeitsweise der Europäischen Union) unterscheidet zwischen Produktbeschaffenheit (Art. 114) und betrieblichem Arbeitsschutz (Art.153). Bei der Produktbeschaffenheit ist klar geregelt, dass die detaillierte Ausführung der gesetzlichen Vorgaben in harmonisierten Europäischen Normen formuliert wird. Beim betrieblichen Arbeitsschutz dagegen gibt es auf europäischer Ebene nur Mindestanforderungen, die in den Mitgliedstaaten unterschiedlich umgesetzt werden können. In Deutschland wurde mit allen am Arbeitsschutz beteiligten Kreisen ein Grundsatzpapier zur Rolle der Normung im betrieblichen Arbeitsschutz erarbeitet, das europäische Normung nur im Ausnahmefall befürwortet. Die KAN prüft, ob der betriebliche Arbeitsschutz in Normen enthalten ist mit dem Ziel, den nationalen Regelungsspielraum freizuhalten.

Download der Präsentation