KANBrief 2/12

OSHWiki, Gute-Praxis-Beispiele und Instrumente für KMU: EU-OSHA bietet Hilfen für die Praxis

Seit September 2011 ist die Österreicherin Dr. Christa Sedlatschek Direktorin der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) in Bilbao. Sie berichtet über aktuelle Arbeitsschwerpunkte und Projekte der Agentur.

Welche Akzente möchten Sie als Direktorin der EU-OSHA zukünftig setzen?

Die EU-OSHA wird sich in den nächsten Jahren vor allem mit den Auswirkungen des demographischen Wandels auseinandersetzen, insbesondere mit der Verbesserung der Arbeitsfähigkeit von Beschäftigten. Weitere wichtige Themen sind der Einsatz neuer Technologien und Arbeitsstoffe und damit verbundene Risiken sowie ein ganzheitlicher Präventionsansatz vor allem auf betrieblicher Ebene. Die Entwicklung und Verbreitung praktisch einsetzbarer Instrumente vor allem für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stehen dabei im Mittelpunkt.

Mit Hilfe eines gezielten Marketings und der Promotion der Themen auf europäischer, nationaler, regionaler und Unternehmensebene soll allen Verantwortlichen bewusst gemacht werden, dass es ohne gesunde Mitarbeiter mittel- und langfristig auch keine „gesunden“ Unternehmen geben wird. Außerdem planen wir die Veröffentlichung von Zahlen und Fakten, die eine klare Sprache sprechen: Die Investition in Beschäftigte zahlt sich betriebs- und volkswirtschaftlich aus.

Eine der nächsten Kampagnen der Agentur wird sich mit psychosozialen Risiken befassen. Welche Rolle messen Sie der Normung in diesem Themenfeld bei?

Grundsätzlich ist es sehr begrüßenswert, dass die Normung eine bestimmte systematische Vorgehensweise vorgibt. Im Allgemeinen kann man aber sagen, dass Normen nicht immer die erste Wahl sind, wenn es um Themen wie Stress geht. Hier sollte eher eine sehr vorsichtige und den jeweiligen Gegebenheiten angepasste Vorgehensweise gewählt werden. Ich weiß aber aus eigener Erfahrung, dass in Deutschland die Norm ISO 10075 „Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelastung“ anerkannt und auch genutzt wird. Wenn diese auch keine praktischen Ansätze aufzeigt, erleichtert sie doch den Umgang mit dem Thema psychische Belastungen, da sie einheitliche Definitionen liefert, Grundsatzdiskussionen vorbeugt und so eine Basis bildet, auf der aufgebaut werden kann.

Sind Normen im Bereich von Personalmanagement, gesellschaftlicher Verantwortung usw. hilfreich oder sollten diese Themen anderen Initiativen überlassen werden?

Wie ich bereits erwähnt habe, ist grundsätzlich eine Systematisierung zu begrüßen. Es sollte aber für alle Akteure auf betrieblicher Ebene klar sein, dass nur das Unternehmen selbst Standards mit Leben füllen kann. Managementsysteme müssen immer an die Rahmenbedingungen und Bedürfnisse aller Interessengruppen im Unternehmen angepasst werden. Nur dann werden sie von der Belegschaft angenommen.

Der EU-OSHA-Bericht zur „Förderung der psychischen Gesundheit“ (pdf, englisch) zeigt sehr schön, dass es viele Initiativen und Programme gibt, die unterschiedliche Instrumente und Herangehensweisen sehr wirksam und nachhaltig einsetzen. Er stellt Gute-Praxis-Beispiele aus ganz Europa vor und zeigt, wie wichtig ein ganzheitlicher Ansatz zur Prävention und Gesundheitsförderung ist. Ebenso ist es offensichtlich, dass gute Führung und das Mitwirken aller Beschäftigten die Basis für eine erfolgreiche Umsetzung von Maßnahmen darstellen.

Nächstes Jahr wird das Arbeitsschutz- Lexikon OSHWiki online gehen. Was genau verbirgt sich dahinter?

EU-OSHA entwickelt derzeit eine „Wikipedia“ zum Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz (OSHWiki), die ab 2013 offizielle, vertiefte und aktuelle Informationen zur Verfügung stellen wird. Darüber hinaus soll OSHWiki Fachleuten ermöglichen, Informationen auszutauschen und in Echtzeit zusammenzuarbeiten. Dadurch kann das breite Wissen der Arbeitsschutzwelt (Praktiker, Forscher, etc.) wirksam genutzt werden.

Um die Qualität der Inhalte zu garantieren, wird EU-OSHA anerkannten Arbeitsschutzexperten (Praktikern, Wissenschaftlern und Vertretern von öffentlichen Institutionen) Schreibrechte im OSHWiki geben. Alle Artikel werden mit Quellenangaben versehen.