KANBrief 2/09

Bauprodukte – Sicherheitsanforderungen in der europäischen Verordnung umstritten

Die 1989 verabschiedete europäische Bauprodukterichtlinie (BPR) wird möglicherweise noch in diesem Jahr durch eine neue europäische Verordnung ersetzt. Aus Sicht des Arbeitsschutzes ist es unabdingbar, dass diese Verordnung auch Anforderungen an die Sicherheit von Bauprodukten enthält. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, wie eine in Kürze erscheinende KAN-Studie „Sicherheit von Bauprodukten und deren Verwendung“ (pdf, nicht barrierefrei)  zur Sicherheit von Bauprodukten feststellt.

Im Gegensatz zu anderen EG-Richtlinien des Neuen Ansatzes enthält die Bauprodukterichtlinie keine Anforderungen an die Produktsicherheit. Bauprodukte können ohne Gefährdungsanalyse und besondere Sicherheitsvorkehrungen in Verkehr gebracht werden. So könnte beispielsweise auch heute noch Zement mit einem hohen Chromatanteil (Auslöser der „Maurerkrätze“) vertrieben werden, gäbe es nicht spezifische andere Vorschriften für diesen Fall.

Eine indirekte Verbesserung der Situation brachte im Dezember 2001 die europäische Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit (2001/95/EG, RaPS). Diese stellt klar, dass von Produkten, die auch von Verbrauchern benutzt werden können, keine Gefährdung für die Sicherheit und Gesundheit ausgehen darf. Im Baubereich umfasst dies sämtliche Produkte, die zum Beispiel auch in Baumärkten erhältlich sind. Ein grundsätzliches Problem besteht jedoch darin, dass die Sicherheitsanforderungen der Produktsicherheitsrichtlinie in der Regel in Bauproduktnormen nicht aufgegriffen werden. Eine wesentliche Sicherheitslücke ergibt sich außerdem für alle Bauprodukte, die ausschließlich gewerblich genutzt werden. Diese fallen ausschließlich unter die Bauprodukterichtlinie und erhalten damit keinen „Flankenschutz“ von anderen Richtlinien wie der RaPS.

KAN-Bericht 43 zur Sicherheit von Bauprodukten

In einer KAN-Studie1 wurden 47 Normen unter der BPR daraufhin untersucht, ob die in ihnen getroffenen Festlegungen zur Produktsicherheit ausreichend sind. Da sich für ein Bauprodukt in seinem Lebenszyklus sehr unterschiedliche Sicherheitsanforderungen ergeben, wurden verschiedene Phasen betrachtet: Herstellung (Baustelle), Handhabung (Transport, Verarbeitung, Montage), Verwendung (Instandhaltung, Wartung, Inspektion) und Entsorgung.

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die Sicherheit von Bauprodukten primär in der Bauprodukterichtlinie (oder der vorgesehenen neuen Verordnung) geregelt werden muss. Nur auf dieser rechtlichen Anspruchsgrundlage können auch in Normen Anforderungen an die Produktsicherheit umfassend umgesetzt werden.

Neben dieser grundsätzlichen Forderung werden in der Studie unter anderem folgende Empfehlungen ausgesprochen:

  • Für zentrale Sicherheitsaspekte beim Umgang mit Bauprodukten (Transport, Verarbeitung, Entsorgung etc.) sollten Querschnittsnormen erstellt werden. Diese können bei der Erarbeitung von Produktnormen bei Bedarf einfach in Bezug genommen werden und würden den Normenausschüssen die Behandlung von Arbeitsschutzaspekten erleichtern.

  • Bauproduktnormen sollten einen Anhang enthalten, der die auf das Bauprodukt bezogenen Gefährdungen aufl istet und auf die Abschnitte der Norm verweist, in denen diese Gefährdungen behandelt werden. Die Grundlage für diese Liste sollte eine Gefährdungsanalyse bilden, die den gesamten Lebenszyklus eines Bauprodukts umfasst.

Die EG-Bauprodukteverordnung

Die KAN hat die Studienempfehlungen aufgegriffen und sich in der europäischen Diskussion für eine bessere Verankerung des Arbeitsschutzes in der neuen EG-Bauprodukteverordnung eingesetzt. Zusammen mit der Europäischen Föderation der Bau- und Holzarbeiter und unterstützt von der Vertreterin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung in Brüssel legte sie dem Europäischen Parlament mehrere Änderungsanträge vor. Darin wurde die Berücksichtigung der Produktsicherheit in den Basisanforderungen des Anhangs I der geplanten Verordnung gefordert.

Bei der ersten Lesung im Europäischen Parlament am 23. April 2009 wurden diese Änderungsanträge größtenteils berücksichtigt. Der Ministerrat hingegen lehnt eine Erweiterung der Basisanforderungen des Anhangs I um Anforderungen an die Produktsicherheit derzeit ab. Da sich Parlament und Rat in zahlreichen Punkten der neuen Verordnung noch nicht einig sind, wird der Ministerrat in den nächsten Monaten wahrscheinlich einen Gemeinsamen Standpunkt erarbeiten. Dieser kann vom Parlament angenommen, abgelehnt oder durch einen (mit absoluter Mehrheit der EP-Mitglieder beschlossenen) geänderten Vorschlag ersetzt werden.

Michael Robert
robert@kan.de