KANBrief 2/05

Entstehung einer Europäischen Norm

Wird eine Europäische Norm (EN) verabschiedet, so muss sie unverändert national übernommen werden. Eine effektive Möglichkeit, auf die Inhalte Europäischer Normen Einfluss zu nehmen, ist die Mitarbeit im jeweiligen nationalen Spiegelausschuss. Dieser entsendet Experten in die Europäischen Normungsgremien, entscheidet national über Stellungnahmen zu Europäischen Norm-Entwürfen und begleitet das in mehreren Stufen ablaufende Normungsverfahren.

Die Initiierung einer Europäischen Norm erfolgt überwiegend durch eine nationale Normungsorganisation oder, zur Konkretisierung von EG-Richtlinien, durch die Europäische Kommission mittels eines Normungsmandates. Wenn das vorgeschlagene Projekt thematisch Zustimmung findet, ausreichend viele nationale Normungsorganisationen zur Mitarbeit bereit sind und Mittel für die Sekretariatsführung zur Verfügung stehen, wird im CEN unter der Federführung eines Technischen Komitees (TC) die Arbeit an eine bestehende Arbeitsgruppe (WG) dieses TC vergeben bzw. eine neue Arbeitsgruppe von Experten eingerichtet. Unter der Leitung eines Convenors wird in der WG die Norm erarbeitet. Das Sekretariat des TC wird von jeweils einer der nationalen Normungsorganisationen übernommen. Die Arbeit der WG und ihres Convenors wird ebenfalls von einer der nationalen Normungsorganisationen unterstützt.

Hat sich die WG auf einen Europäischen Norm-Entwurf (prEN) geeinigt, wird die öffentliche Umfrage eingeleitet. Die nationalen Normungsorganisationen haben dann fünf Monate Zeit, eine nationale Stellungnahme zu organisieren. In Deutschland wird dazu ein DIN-EN-Entwurf in deutscher Sprache veröffentlicht , zu dem innerhalb einer Frist von etwa acht Wochen jedermann gegenüber dem DIN Stellung nehmen kann. Dazu sollte die Einspruchstabelle des DIN als Vorlage verwendet werden. Hilfreich ist es, konkrete Formulierungsvorschläge möglichst zusätzlich auch in englischer Sprache einzureichen. Der nationale Spiegelausschuss berät in einer Einspruchssitzung über die eingegangenen Stellungnahmen. Die Einsprechenden erhalten dabei die Gelegenheit, ihre Position zu erläutern. Anschließend gibt das Spiegelgremium die gebündelte nationale Stellungnahme ab. Bei mandatierten Norm-Entwürfen werden zusätzlich auf europäischer Ebene die Empfehlungen der Consultants eingeholt, die überprüfen, ob die grundlegenden Anforderungen der EG-Richtlinien erfüllt werden.

Auf Basis der eingegangenen Stellungnahmen erstellt die WG den Schlussentwurf. Die nationalen Normungsorganisationen entscheiden anschließend in einer gewichteten Schlussabstimmung, bei der keine inhaltlichen Änderungen mehr möglich sind, über die Annahme der EN. Dazu muss sie mindestens 71 % der gewichteten Stimmen erhalten.

Die Ratifizierung einer Norm erfolgt automatisch einen Monat nach einem positiven Abschlussergebnis zur Schlussabstimmung. Dies gilt nicht, wenn ein zu diesem Norm-Projekt eingeleitetes Berufungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

Nach der Ratifizierung muss eine Europäische Norm als nationale Norm übernommen werden. Abweichende nationale Normen sind zurückzuziehen. Bei mandatierten Normen beantragen die Europäischen Normungsorganisationen bei der Europäischen Kommission die Veröffentlichung der Fundstelle der EN im Amtsblatt der EU. Spätestens nach fünf Jahren überprüfen die Normungsorganisationen, ob eine Revision einer EN erforderlich ist. Dies erfolgt in der Regel durch eine Abfrage in den nationalen Spiegelgremien.

Ziel ist, dass eine EN innerhalb von 3 Jahren erarbeitet wird. Die Normungsorganisationen legen deshalb Zeitvorgaben für die einzelnen Erarbeitungsschritte fest. Werden diese bei bestimmten Schritten nicht eingehalten, kann eine Verlängerung beantragt werden. Andernfalls wird das Normungsprojekt gestrichen.

Die frühzeitige und aktive Mitarbeit in der Normung bietet die beste Möglichkeit, den Inhalt Europäischer Normen zu gestalten. Aber auch ansonsten sollte das DIN immer umgehend informiert werden, wenn sich Norm- Entwürfe oder bereits veröffentlichte Normen als verbesserungsbedürftig herausstellen. Arbeitsschutzinstitutionen sowie Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern können dabei in allen Verfahrensfragen die KAN-Geschäftsstelle zur Unterstützung ihrer Anliegen einbinden.