KANBrief 3/22

Hochautomatisierte Fahrzeuge in der Landwirtschaft

Die Entwicklung und der Einsatz hochautomatisierter Maschinen wird von Landtechnikherstellern und Anwendern in den verschiedensten Gebieten vorangetrieben. Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) beteiligt sich frühzeitig an der Gestaltung der neuen Technologien, um diese im Sinne des Arbeitsschutzes zu beeinflussen. Zentrales Präventionsziel ist es, Personen vor Gefahren durch hochautomatisierte Maschinen zu schützen.

Hochautomatisiert fahrende Fahrzeuge werden die Arbeit in der Landwirtschaft und im gesamten grünen Sektor in der Zukunft begleiten. Nach dem derzeitigen Verständnis werden in der Landwirtschaft zwei wesentliche Arbeitsbereiche unterschieden: „Hofgelände“ und „Feld“.

Zum Arbeitsbereich „Hofgelände“ gehören beispielweise automatische Fütterungssysteme (AFS), Mistschieber und Futteranschieber. Unterschiedliche Abteilungen (Stall, Silolagerplatz, Hoffläche) werden von dem automatisiert oder autonom fahrenden Fahrzeug befahren. Bei der Risikoabschätzung sind sowohl Anforderungen an den Einsatz in Innenräumen („indoor“) als auch im Freien („outdoor“) zu beachten.

Oft handelt es sich um miteinander verbundene technische Komponenten, zum Beispiel Futterbehälter, Förderbänder, Mischbehälter, Austragsysteme etc. Vor Inbetriebnahme des hochautomatisiert fahrenden Fahrzeuges ist eine Konformitätserklärung entsprechend den Vorgaben der Maschinenrichtlinie für die Gesamtanlage des jeweiligen Betriebes zu erstellen. Dies ist Voraussetzung dafür, dass das Fahrzeug betrieben werden darf.

Für den Arbeitsbereich „Feld“ sind bei der Risikoabschätzung insbesondere die höheren Fahrgeschwindigkeiten der automatisiert oder autonom fahrenden landwirtschaftlichen Fahrzeuge zu beachten. Für diesen Einsatzbereich gibt es Traktoren mit hochautomatisierten Funktionen mit und ohne Fahrerplatz. Hinzu kommen weitere selbstfahrende Maschinen ohne Fahrerplatz, die hochautomatisiert fahren. Die Bandbreite der Fahrzeuge ist groß. Marktbeobachtungen zeigen Varianten von großen Traktoren über 300 PS bis hin zu winzigen Robotern, die Feldarbeiten hochautomatisiert durchführen.

Umfelderkennung

Der Umfelderkennung kommt bei allen automatisiert oder autonom fahrenden Fahrzeugen eine besondere Wichtigkeit zu. Wo früher Landwirtin und Landwirt Entscheidungen getroffen haben, werden diese nun auf den Hersteller des Fahrzeugs übertragen. Das Erkennen von Personen, Objekten und Hindernissen im Bereich der durchzuführenden Arbeiten ist zu gewährleisten in

  • Fahrtrichtung(en) oder
  • allen Richtungen.

Hier ist insbesondere die Kombination von Traktoren und Anbaumaschinen von Belang. Es ist nicht ausreichend, wenn die Herstellerfirma des Trägerfahrzeuges die Umfelderkennung auf die Fahrtrichtung auslegt und eine wesentlich breitere Anbaumaschine kombiniert werden kann oder wenn z. B. Anbaugeräte ausschwenken. In diesen Fällen kann es zu Kollisionen mit Personen in der Fahrtrichtung kommen. Auch der Beginn des Fahrprozesses kann zu Risiken führen. Vor jeglicher Bewegung des Fahrzeugs muss sichergestellt werden, dass sich sowohl in Fahrtrichtung als auch zwischen Traktor und Anbaumaschine keine Personen befinden. Hierzu ist es erforderlich, dass nicht nur das Umfeld des Trägerfahrzeuges überwacht wird, sondern die gesamte Kombination.

Der Sensortechnik kommt bei der Umfelderkennung eine Schlüsselrolle zu. Nach Auffassung der SVLFG sollten dabei grundsätzlich zertifizierte Systeme für die Personenerkennung zum Einsatz kommen. Heutige Systeme zur Objekterkennung sind dagegen meist nicht geeignet, um hochautomatisiert fahrende Fahrzeuge sicher zu betreiben. Weiterhin muss zwischen Personenerkennungssystemen für den Einsatz im Indoor-Bereich und Systemen für den wesentlich herausfordernderen Outdoor-Bereich unterschieden werden. Wechselnde Lichtverhältnisse, Regen, Schnee, Laub und Staub sind nur einige Faktoren, welche die Umfelderkennung zuverlässig erfassen und bewerten muss. In vielen Fällen kann dies nur durch eine Kombination von Sensoren erreicht werden.

Einsatz in Bereichen ohne Zutritt

Automatisiert fahrende Fahrzeuge, die in abgeschlossenen betrieblichen Bereichen ohne Zutritt von Personen eingesetzt werden, sind mit automatisierten Fertigungseinrichtungen vergleichbar. Maßnahmen zum Schutz von Personen im abgeschlossenen Bereich sind erforderlich, wenn Personen diesen Teilbereich z. B. zur Störungsbeseitigung oder zur Instandhaltung betreten. In diesem Fall sind Fahrzeuge und andere automatisierte Anlagenteile in einen sicheren Ruhezustand zu versetzen. Sie dürfen dann maximal einzeln und mit reduzierter Geschwindigkeit durch manuelle Steuerung (Instandhaltungsmodus) bewegt werden. Erst wenn die Personen den Bereich verlassen haben und die Zugänge geschlossen sind, darf es durch manuelle Zustimmung von außen möglich sein, den Instandhaltungsmodus aufzuheben.

Präventionsziele in der Normung verankern

Die SVLFG beteiligt sich an der aktuellen Überarbeitung der Norm „Landwirtschaftliche Maschinen und Traktoren – Sicherheit hochautomatisierter Maschinen – Konstruktionsgrundsätze“ (EN ISO 18497:2018). Die Norm soll neu aufgeteilt und weiterentwickelt werden:

  • Im Teil 1 werden Konstruktionsgrundsätze festlegt,
  • im Teil 2 Grundsätze für die Objekterkennung beschrieben,
  • im Teil 3 Gestaltungsprinzipien für autonome Betriebszonen und
  • im Teil 4 Verifizierungs- und Validierungsmethoden erarbeitet.

Das zentrale Präventionsziel ist die zuverlässige Erkennung von Personen. Eine Schutzeinrichtung, die Kontakt mit einer Person erfordert, um abzuschalten (sog. Bumper), ist allein nicht mehr akzeptabel, insbesondere bei höheren Fahrgeschwindigkeiten. Angesichts der heutigen Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz (KI) und modernster Umfelderkennung ist ein Kontakt von Personen mit einer solchen Maschine aus Sicht des Arbeitsschutzes nicht hinnehmbar.

ISO 3991 zur Sicherheit automatischer Fütterungssysteme wird aktuell erarbeitet. Auch an diesem Projekt sind die Präventionsexperten der SVLFG beteiligt, um Sicherheit und Gesundheitsschutz auch für die Zukunft zu erreichen.

Sebastian Dittmar, Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau
Sebastian.Dittmar@svlfg.de

Arbeitsgruppe „Autonomes Fahren“

Auch in anderen Branchen nimmt der Einsatz von automatisiert oder autonom fahrenden Fahrzeugen zu und bringt ähnliche Herausforderungen mit sich. In der Arbeitsgruppe „Autonomes Fahren“ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) tauschen sich mehrere Unfallversicherungsträger darüber aus, wie einheitliche Sicherheitsanforderungen festgelegt und in die Normung eingebracht werden können.

In ihrer Veröffentlichung „Fachbereich AKTUELL – Automatisiert fahrende Fahrzeuge in betrieblichen Bereichen (pdf)“ gibt der Fachbereich Holz und Metall der DGUV Hinweise für die Gefährdungsbeurteilung und die Ermittlung der Anforderungen an betriebliche Bereiche, Fahrzeuge, Systeme und Personen.