KANBrief 1/14

Wie „gesund“ soll persönliche Schutzausrüstung sein?

Je nach verwendeten Materialien und den beim Herstellungsverfahren eingesetzten Stoffen kann persönliche Schutzausrüstung (PSA) Schadstoffe enthalten. Die aktuelle Binnenmarkt-Richtlinie 89/686/EWG und der EU-Verordnungsentwurf (KANBrief 4/2013) zu PSA, der in Kürze veröffentlicht wird, verlangen, dass die Ausgangswerkstoffe oder ihre möglichen Zersetzungsprodukte keine schädlichen Auswirkungen haben dürfen. Doch unter welchen Bedingungen ist diese Unschädlichkeit erfüllt?

Arbeitgeber sind verpflichtet, die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer erforderlichen Maßnahmen zu treffen und dabei auch besonders gefährdete Risikogruppen zu schützen. Hierzu zählen z.B. Jugendliche, Allergiker oder Schwangere. Aus Sicht der Prävention gilt das Minimierungsgebot: Der Kontakt mit Stoffen, die sich auf den Träger der PSA schädlich auswirken können, ist durch den Herstellungsprozess möglichst zu vermeiden. Nur, wenn dies nicht auf zumutbare Weise erreicht werden kann, stellt sich die Frage, welche Konzentrationen in persönlicher Schutzausrüstung als Stand der Technik toleriert werden.

Beispiel Chromat in Leder

Leder kann bei unsachgemäßer Gerbung oder Färbung Chromat (Chrom-VI) enthalten. Dieses kann beispielsweise durch Schwitzen, Nässe oder Kontakt mit kalkhaltigen Arbeitsstoffen aus dem Leder von Schutzhandschuhen oder Schuhen gelöst und von der Haut aufgenommen werden. Chrom-VI ist krebserzeugend und kann bei sensiblen Personen bereits bei geringen Konzentrationen Hautallergien und Ekzeme auslösen. Es soll daher in Leder von PSA nicht vorkommen. Ganz auszuschließen sind geringe Konzentrationen, die für Allergiker aber immer noch schädlich sein können, leider nicht: Letztlich ist die von der Normung tolerierte Konzentration durch die Nachweisgrenze des verwendeten Prüfverfahrens bestimmt. Dies zeigt, wie bedeutend es ist, Prüfverfahren in Produktnormen weiterzuentwickeln und korrekt zu beschreiben, und wie sorgfältig Arbeitgeber abwägen sollten, ob und welche PSA einzusetzen ist, um eine Gefährdung abzuwenden.

Beispiel N,N-Dimethylformamid (DMFA)

Ein Schadstoff, über den seit einigen Jahren heftig diskutiert wird (sicher ist sicher, Heft 1/2005, Fachbeitrag Handschutz, Zuther [BVH]), ist DMFA in polyurethanbeschichteten Handschuhen. DMFA ist ein lebertoxischer und fruchtschädigender Arbeitsstoff, der sehr schnell über die Haut aufgenommen wird. Aus diesen Gründen ist in Deutschland in der Technischen Regel für Gefahrstoffe TRGS 401 „Gefährdung durch Hautkontakt“ nicht nur festgelegt, dass polyurethanbeschichtete Handschuhe gemäß dem Stand der Technik höchstens 10 mg DMFA pro kg Handschuhmaterial enthalten dürfen, sondern auch, dass kein DMFA freigesetzt werden darf.

Gegenwärtig wird diskutiert, ein Messverfahren und einen Grenzwert für DMFA in der EN 420 „Schutzhandschuhe – Allgemeine Anforderungen und Prüfverfahren“ festzulegen. Der erwogene Grenzwert liegt allerdings weit oberhalb der Nachweisgrenze gängiger Prüfverfahren und um ein Vielfaches über dem von der TRGS 401 geforderten Wert. Die Verfechter eines deutlich höheren Grenzwerts leiten diesen aus dem deutschen Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) für DMFA nach TRGS 900 „Arbeitsplatzgrenzwerte“ ab (Sicherheitsingenieur, Heft 10/2011, Projektbericht BVH, Zuther). Dieser ist jedoch für die Exposition durch Einatmen beim Umgang mit DMFA als Arbeitsstoff festgelegt worden. Der AGW deckt zudem nicht die Exposition von Schwangeren ab, die nach § 5 der deutschen Mutterschutzrichtlinienverordnung DMFA als fruchtschädigendem Stoff gar nicht ausgesetzt werden dürfen.

Die KAN hat hierzu eine gemeinsame Position der deutschen Arbeitsschutzkreise abgestimmt und setzt sich in der Normung für folgende Punkte ein:
1. Aus Sicht der Prävention sind polyurethanbeschichtete PSA nicht anhand des AGW für DMFA zu bewerten, der für die betriebsbedingte Exposition am Arbeitsplatz festgelegt wurde und nicht vor der fruchtschädigenden Wirkung schützt.
2. Um die geltenden Rechtsvorschriften zu erfüllen, müssen die Hersteller, soweit es nach dem Stand der Technik möglich ist, dafür Sorge tragen, dass PSA kein DMFA freisetzt.
3. Materialien, die vermeidbare DMFA-Gehalte aufweisen, weil sie beispielsweise nicht gewaschen wurden, können auch höhere Gehalte an anderen wasserlöslichen gesundheitsgefährdenden Produktionsrückständen enthalten.
4. DMFA-Gehalte kleiner 10 mg/kg sind nach dem Stand der Technik bei der Herstellung erreichbar.
5. Wenn ein Analyseverfahren festgelegt wird, muss es ausreichend validiert sein und über eine ausreichend niedrige Bestimmungsgrenze verfügen.

Corrado Mattiuzzo
mattiuzzo@kan.de