KANBrief 1/14

20 Jahre KAN: Ein Erfolgsprojekt mit Modellcharakter

„Die Mitgliedstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um den Sozialpartnern auf nationaler Ebene eine Einflussnahme auf die Erarbeitung und Weiterverfolgung harmonisierter Normen zu ermöglichen“ – so steht es seit 1989 in der europäischen Maschinenrichtlinie. Mit ein Grund, wenn nicht sogar der Grund, für die Gründung der KAN am 11. Februar 1994. Geschäftsstellenleiter Karl-Josef Thielen sprach mit Vertretern der KAN-Kreise über die Bedeutung und Rolle der KAN.

Wie haben sich aus ihrer Sicht die Aufgaben der KAN verändert?

Breutmann (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände [BDA]): In der ersten Zeit galt es, jede Menge Normprojekte auf den Weg zu bringen, die die Maschinen- und PSA-Richtlinien konkretisierten. Diese Mengenlawine ist vorüber. Technische Entwicklungen bei den Produkten stellen aber immer wieder neue Fragen an deren Sicherheit. Normung ist somit nie vorbei und braucht auch weiterhin die intensive Mitarbeit der Arbeitsschutzexperten.

Fritsche (Industriegewerkschaft Metall [IG Metall]): Neu ist die Bedeutung der Vor-Normprodukte wie der DIN SPECs. Diese entwickeln ein immer stärkeres Eigenleben jenseits der Normung und finden ganz schnell ihren Weg in die Betriebe. Das Primat der staatlichen und berufsgenossenschaftlichen Regelungen gilt aber unverändert. Hier ist die KAN eine wichtige Kontrollinstanz. Durch die garantierte Repräsentanz aller an der arbeitsschutzrelevanten Normung interessierten Kreise in der KAN ist die gleichberechtigte Wahrnehmung dieser Interessen gewährleistet.

Dr. Eichendorf (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung [DGUV]): Heute treffen wir häufiger auf weiche Arbeitsschutzthemen in der Normung. Diese sind komplexer und ihre Bedeutung für den Arbeitsschutz ist nicht immer so leicht zu erkennen. Da sich die Gesundheit im Betrieb jedoch immer weiter ausdifferenzieren wird, entsteht hier ein lukratives Normungsfeld. Die KAN muss dabei auf einen hohen Konsensgrad als Qualitätskriterium achten.

Koll (Bundesministerium für Arbeit und Soziales [BMAS]): Derzeit überarbeiten wir die Rolle der Normung im betrieblichen Arbeitsschutz. Der KAN wird hierin eine verstärkte „Wächterfunktion“ zugewiesen. Quantitativ wie qualitativ eine ziemliche Herausforderung.

Dr. Hövel (Deutsches Institut für Normung [DIN]): Die Überführung der Beschaffenheitsanforderungen aus den technischen Regeln in EN- und ISO-Normen verlief erfolgreich. Eine ähnlich proaktive Rolle wünscht sich das DIN bei den nationalen betrieblichen Anforderungen. Nur durch gleiche hohe sicherheitstechnische betriebliche Anforderungen mit standardisierten Arbeitsmitteln sind in globalen Märkten auch vergleichbare Chancen für Arbeitnehmer im Wettbewerb realisierbar.

Welche Rolle spielt die KAN außerhalb Deutschlands?

Breutmann: In einer stark exportorientierten und auf den europäischen und globalen Markt ausgerichteten deutschen Wirtschaft ist die Forderung, nur eine Norm erfüllen zu müssen, hoch. Doch die Arbeitsschutzphilosophien sind sehr unterschiedlich. Deshalb ist es wichtig, dass die KAN immer wieder erklärt, warum wir die Wege gehen, die wir gehen.

Fritsche: Bei den neuen Mitgliedstaaten der EU haben Normung und Arbeitsschutz einen anderen Stellenwert. Es gibt außerhalb von Deutschland leider kein vergleichbares, meinungsbildendes Forum wie die KAN. Es fehlt an einer europäischen KAN.

Koll: Die KAN ist das „Sprachrohr des Arbeitsschutzes“ – auch in Europa. Es wird wichtig sein, zukünftig darauf zu achten, dass der Arbeitsschutz als zu berücksichtigende Kategorie im europäischen und internationalen Normungsgeschäft erhalten bleibt.

Welchen Nutzen zieht Ihre Institution aus dem Projekt KAN?

Breutmann: Wenn ich KAN höre, denke ich an Beteiligung. Beteiligung der Praktiker, die in den Betrieben die Sicherheitsfragen zu Arbeitsmitteln sehr gut einschätzen können. Diese sollten ein gewichtiges Wort mitsprechen können. Dafür sorgt die KAN.

Fritsche: Der eigentliche Gründungszweck ist für mich nach wie vor wichtig. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verfügen weder über die finanziellen Ressourcen noch über entsprechende Freistellungsmöglichkeiten, um an der Normung unmittelbar mitwirken zu können. Deshalb ist die KAN für uns schlicht gesagt alternativlos, um Fehlentwicklungen in Normprojekten zum Arbeitsschutz zu erkennen und zu verfolgen.

Dr. Eichendorf: In Ergänzung zu unserer eigenen Beobachtung, welchen Trends wir uns in der Prävention widmen sollten, spielt die KAN für uns eine entscheidende Rolle. Über ihre Arbeit erkennen wir Handlungsfelder, die die Unfallversicherungsträger über die Normung mitgestalten können.

Koll: Der Prozess der Meinungsbündelung unter den in der KAN vertretenden Kreisen ist für uns von unschätzbarem Wert. Insbesondere bei übergeordneten, teils sehr politischen Fragen.