KANBrief 4/10

Zukunft Elektrofahrzeug – Arbeitsschutz ist gefragt

Politik und Wirtschaft haben sich zum Ziel gesetzt, verstärkt Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb auf die Straßen zu bringen. In Forschung und Entwicklung liegt der Fokus derzeit auf der Fahrzeugtechnologie und der zusätzlich notwendigen Infrastruktur. Die neuen Produkte stellen aber auch eine Herausforderung für den Arbeitsschutz dar, da für den Elektroantrieb Spannungen in bisher ungewohnter Höhe genutzt werden.

Im Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität hat die Bundesregierung im August 2009 als politisches Ziel verkündet, dass bis 2020 in Deutschland eine Million Elektrofahrzeuge zugelassen sind. Damit steht Deutschland nicht allein. Die Elektrifizierung der Fahrzeuge soll dazu beitragen, die gesetzten Klimaziele zu verwirklichen und ist daher in der gesamten EU ein aktuelles Thema.

Die Umsetzung dieser Ziele setzt eine internationale Vereinheitlichung und Kompatibilität voraus – nur dann werden Elektrofahrzeuge auch angenommen. Normung spielt dabei eine wichtige Rolle. In der Nationalen Plattform Elektromobilität, die sich mit der Ausgestaltung des Nationalen Entwicklungsplans befasst, wurde daher auch eine Arbeitsgruppe „Normung, Standardisierung und Zertifizierung“ eingerichtet.

Aufgabe für den Arbeitsschutz

Ziel des Arbeitsschutzes ist es, dass der berufliche Umgang mit Elektrofahrzeugen sicher ist. Durch die neue Antriebsform treten Gefährdungen auf, die bisher in dieser Branche unbekannt waren. Die in Hybrid- und reinen Elektrofahrzeugen eingesetzten Hochvoltsysteme arbeiten mit Spannungen von 200 bis zu 800 Volt – weit mehr als bisher in Fahrzeugen genutzt. Bei der Beurteilung der Gefährdung muss die gesamte Lebensdauer der Fahrzeuge betrachtet werden.Nicht nur Arbeitnehmer bei der Herstellung und Wartung sind betroffen, sondern zum Beispiel auch Rettungskräfte, die bei Unfällen mit dem Fahrzeug umgehen müssen. Zudem muss die sichere Entsorgung gewährleistet sein. Weitere Aspekte kommen hinzu: Das Aufladen der Hochvoltbatterien sollte mit einheitlichen Verbindungen leicht durchführbar und ohne eine zu hohe Belastung durch elektromagnetische Felder möglich sein. Fahrzeuge mit Elektroantrieb sind ungewohnt leise. Dadurch können sich neue Unfallszenarien ergeben, denen vorgebeugt werden muss. All dies gilt nicht nur für PKW, sondern auch für Busse und LKW, für die derzeit ebenfalls verstärkt Elektroantriebe entwickelt werden. Bei Bauteilen in Kraftfahrzeugen, die mit mehr als 25 Volt Wechselspannung oder 60 Volt Gleichspannung betrieben werden, spricht man von Hochvolt-Systemen.

Informationen für den Betrieb

Die Unfallversicherungsträger sind schon seit einiger Zeit aktiv und sensibilisieren die betroffenen Branchen für das neue Thema. Informationen stehen bereits zur Verfügung oder sind in Vorbereitung. Darin werden zum Beispiel Hinweise zur Wartung von Hybridfahrzeugen gegeben oder die Qualifizierung von Mitarbeitern für Arbeiten an Fahrzeugen mit Hochvoltsystemen (BGI/GUV-I 8686) behandelt. Die DGUV wird außerdem 2011 eine Broschüre (pdf) veröffentlichen, in der speziell kleine und mittlere Betriebe über das Thema informiert werden.

Technische Normung

Auch die Normung kann einen Beitrag zur Sicherheit von Elektrofahrzeugen leisten, indem sie durch geeignete Produktanforderungen die Gefährdungen technisch minimiert. Folgende Aspekte sollten in die Überlegungen einbezogen werden:

  • Standardisierung von Steckern, wie schon im Nationalen Entwicklungsplan gefordert;
  • einheitliche Markierung der Hochvoltsysteme, um die gefährdenden Teile schnell erkennbar zu machen;
  • möglichst einheitliche Verlegung der Hochvoltkomponenten, damit insbesondere Rettungskräfte bei der Bergung von Verunglückten Zeit sparen;
  • sichere Gestaltung von Hochvoltsystemen, so dass von ihnen auch nach einem Unfall keine Gefährdungen ausgehen.

Ziel muss hierbei eine internationale Standardisierung sein, da die meisten Fahrzeughersteller global agierende Unternehmen sind. Die Normungsorganisationen erarbeiten bereits Dokumente, die die Sicherheit der eingesetzten Energiespeicher (Akkumulatoren, Brennstoffzellen) behandeln. Manche Hersteller verwenden bereits eine einheitliche Kennzeichnung, die aber noch genormt werden muss.

Die Arbeitsschutzexperten aller betroffenen Branchen sollten die Normung möglichst aktiv begleiten. Damit unterstützen sie eine weite Verbreitung der neuen Antriebssysteme und tragen dazu bei, dass der Umgang mit Elektrofahrzeugen sicher ist.

Dr. Michael Thierbach
thierbach@kan.de