KANBrief 1/24

Kritik an Normen zu Handschuhen und Kleidung zum Schutz vor Pflanzenschutzmitteln

Normanforderungen für Handschuhe und Kleidung zum Schutz vor Pflanzenschutzmitteln sind weniger strikt als für Chemikalienschutzhandschuhe und -kleidung. Das französische Arbeitsschutzinstitut INRS hat die Unterschiede genauer untersucht und äußert Bedenken zu den Normen EN ISO 27065 und ISO 18889 und den darin geforderten.

Um ihre Schutzfunktion zu erfüllen, müssen Chemikalienschutzhandschuhe und -kleidung eine physische Barriere bilden, die den Durchtritt gefährlicher Chemikalien bis zur Haut verhindert. Um die Wirksamkeit dieser Barriere zu bewerten, wurden in den letzten dreißig Jahren diverse harmonisierte europäische Normen verabschiedet. Sie definieren Arten von Chemikalienschutzhandschuhen und -kleidung, Prüfverfahren sowie die Leistungskriterien, die bei diesen Prüfungen erreicht werden müssen. Die Widerstandsfähigkeit gegen Chemikalien gliedert sich in den Widerstand gegen den Durchtritt von Chemikalien durch Poren, Materialfehler und Nähte (Durchflusswiderstand) und den Widerstand gegen die molekulare Diffusion von Chemikalien durch das Material (Permeationswiderstand).

Zu diesen beiden Mechanismen können noch Abbauprozesse des Materials durch den Kontakt mit Chemikalien hinzukommen (Degradation). Diese können die mechanische Festigkeit beeinträchtigen, die Permeation von Chemikalien begünstigen oder sogar zur Auflösung des Materials führen.

Prüfverfahren

Die Widerstandsfähigkeit von Handschuhen und Schutzkleidung gegen flüssige Chemikalien wird nach EN 374-2 und EN ISO 17491 Teil 3 und 4 bewertet. Die Prüfverfahren in den Normen beinhalten die visuelle Prüfung auf den Durchtritt von Flüssigkeit (Wasser bei Handschuhen, genormte Prüfflüssigkeit bei Kleidung) und Luft (bei Handschuhen). Die EN ISO 6530 enthält ein spezielles Verfahren für die Durchflussprüfung bei nicht flüssigkeitsdichter Kleidung. Diese wird eingesetzt, wenn lediglich die Gefahr besteht, dass geringe Mengen ungefährlicher Flüssigkeiten verspritzt werden.

Der Widerstand gegen die auf molekularer Ebene stattfindende Permeation einer Flüssigkeit wird nach EN 16523-1 und EN ISO 6529 mithilfe einer Permeationszelle beurteilt. Diese wird durch eine Probe der zu testenden persönlichen Schutzausrüstung in zwei Kammern unterteilt. Nachdem die Probe mit der Flüssigkeit in Kontakt gebracht wird, kann so die Permeation in Abhängigkeit von der Zeit verfolgt werden.

Die Abbaubeständigkeit ist schwieriger zu beurteilen. Bisher wurde dazu nur eine einzige Norm veröffentlicht, die EN ISO 374-4 für Handschuhe zum Schutz vor Chemikalien. Diese Norm weist jedoch einleitend darauf hin, dass die beschriebene Degradationsprüfung durch andere Prüfungen ergänzt werden sollte, um die Abbauprozesse genauer beurteilen zu können.

Schutzniveau nach EN ISO 27065 und ISO 18889 nicht ausreichend

Die Normen EN ISO 27065 und ISO 18889 legen Anforderungen an Handschuhe und Bekleidung für Anwender von Pflanzenschutzmitteln fest. Sie verweisen auf weitere Normen mit Prüfverfahren für die Chemikalienbeständigkeit, die deutlich von den oben beschriebenen Referenzprüfverfahren für Chemikalienschutzhandschuhe und -kleidung abweichen:

  • Der Durchfluss durch undichte Materialien wird nach der ISO 22608 bewertet. Das dazu beschriebene neue Prüfverfahren weicht im Versuchsaufbau, in der Vorgehensweise und in der Menge der eingesetzten Prüfflüssigkeit von der Referenzmethode der EN ISO 6530 ab. Die nach ISO 22608 eingesetzte Flüssigkeitsmenge ist 50- bis 100-mal geringer. Diese geringen Mengen können zu einer hohen Messunsicherheit führen. Bei stark saugenden Kleidungsstücken könnte es aufgrund der geringen Flüssigkeitsmenge sogar unmöglich sein, den Durchfluss der Prüfflüssigkeit nachzuweisen.
  • Die Permeationsbeständigkeit wird nach EN ISO 19918 bewertet. Die hier aufgeführte Methode weicht in Versuchsaufbau, Vorgehensweise, in der Flüssigkeitssammlung und in der Dauer der Prüfung (8- bis 32-mal kürzer) von der Referenzmethode für Chemikalienschutzhandschuhen und -kleidung ab. Zudem fehlt eine Beobachtung der Durchtrittskinetik. Dieses Verfahren ist als Permeationsprüfung nicht geeignet, da sich damit keine maximale Widerstandsdauer gegen die Diffusion der Flüssigkeit durch die Probe ermitteln lässt. Laut Anhang E der EN ISO 19918 kann zudem die Messunsicherheit bis zu 38 % betragen.

Für die Zertifizierung von Handschuhen und Kleidung nach ISO 18889 und EN ISO 27065 genügt es zudem, dass diese die neuen Prüfungen mit einer einzigen Chemikalie bestehen. Dabei handelt es sich nicht einmal um ein Pflanzenschutzmittel, sondern lediglich um ein angeblich vergleichbares Produkt. Angesichts der chemischen Vielfalt der verfügbaren Pflanzenschutzmittel erscheint diese Minimalanforderung bei weitem nicht ausreichend.

Das INRS ist der Ansicht, dass der mit den Produktnormen EN ISO 27065 und ISO 18889 eingeschlagene Weg nicht fortgesetzt werden sollte und dass die EN ISO 27065 zumindest ihren Status als harmonisierte europäische Norm verlieren sollte. Stattdessen sollten die bestehenden Normen für Chemikalienschutzhandschuhe und -kleidung herangezogen werden, um auf dieser Grundlage Handschuhe und Kleidung zum Schutz vor Pflanzenschutzmitteln zu definieren. Dabei sollten höhere Leistungsstufen für bestimmte Eigenschaften oder auch zusätzliche Leistungskriterien festgelegt werden, die spezifischer auf den Umgang mit Pflanzenschutzmitteln zugeschnitten sind: So sind etwa eine hohe Reißfestigkeit oder ergonomische Kriterien wie Atmungsaktivität wichtige Parameter für den Schutz von Beschäftigten, die in der Landwirtschaft oder ähnlichen Bereichen tätig sind.

Langfassung des Artikels zur INRS-Studie (auf Französisch)

A. Guilleux, D. Le Roy, N. Chabanne, F. Zimmermann, B. Berlioz, INRS
annabelle.guilleux@inrs.fr