KANBrief 3/08

Ergonomie in Normen und Praxis stärker berücksichtigen

„Ergonomische Anforderungen dürfen nicht länger als Extras gelten.“ Repräsentanten der Europäischen Kommission, des CEN, der Sozialpartner, sowie Wissenschaftler und Spezialisten aus der Welt der Normung waren sich im Workshop „Ergonomische Anforderungen“ darüber einig, dass die ergonomische Gestaltung von Maschinen von den Ingenieuren als selbstverständlicher Bestandteil der Konstruktion empfunden werden muss.

Neben diesem übergeordneten Ziel formulierten die Teilnehmer des Workshops eine ganze Serie gut umsetzbarer und hilfreicher Vorschläge:

Praktiker vor Ort benötigen – möglichst noch vor der verpfl ichtenden Anwendung der neuen Maschinenrichtlinie – neben dem reinen Richtlinientext einen neuen Leitfaden. Da die Europäische Kommission für die Erstellung des Leitfadens nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung hat, wurde vereinbart, eine kleine Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen, die die Kommission bei der Formulierung des ergonomischen Teils unterstützen wird.

Dieser Teil des Leitfadens könnte wiederum den Kern eines Ergonomieleitfadens für Mitarbeiter der Normungsgremien bilden. In diesem könnte das CEN die ergonomischen Anforderungen der Richtlinie zusammenfassen, die nicht nur in Punkt 1.1.6 „Ergonomie“ des Anhangs I vorkommen. In den Normungsgremien arbeiten zwar die Spezialisten für den zu normenden Maschinentyp mit, häufig hat aber keiner der Beteiligten das benötigte ergonomische Wissen. Das Dokument böte den TCs, die C-Normen für Maschinen erstellen, einen hilfreichen Anhaltspunkt für Ihre Arbeit.

Ein weiterer Vorschlag für das CEN besteht darin, die Ergonomie fest in C-Normen zu verankern. So könnte etwa der Annex ZA der harmonisierten Normen um einen verpfl ichtenden Teil „Ergonomie“ ergänzt werden, oder die Maschinennormen könnten von einem „Ergonomie- Consultant“ begutachtet werden. Auch wenn dies keine Qualitätsgarantie wäre, vergessen könnte die Ergonomie niemand mehr.

Um zusätzlich die Qualität der Ergonomieanforderungen in Normen zu fördern, sollte das CEN – so ein Vorschlag des Workshops – Beratergruppen mit Ergonomie-Experten einsetzen, die von den in der Maschinennormung tätigen TCs zu Rate gezogen werden können. Dies würde auch zu einer Stärkung der Kontakte zwischen dem TC 122 „Ergonomie“ und den etwa 45 TCs, die sich mit Maschinennormung befassen, führen. Eine Beratergruppe könnte mehreren oder allen TCs zur Verfügung stehen oder – nach dem Modell des Beraterkomitees für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz im TC 256 – in ein TC integriert sein.

Neben den Maßnahmen beim CEN sollte ein systematisches Verfahren eingerichtet werden, um die Praxiserfahrungen der Nutzer in die Normenausschüsse zu bringen. Das europäische Gewerkschaftsinstitut ETUI stellte die Methode „FEEDBACK“ vor, die dies mit geringem Aufwand ermöglicht.

Weiterhin schlug der Workshop vor, nach einer Auftaktveranstaltung eine dauerhafte Diskussionsplattform einzurichten, auf der Nutzer, Hersteller, Ergonomen (z.B. des FEES1 und einschlägiger Forschungsinstitute), Normer und die Europäische Kommission ihr Wissen austauschen können. In eine ähnliche Richtung geht der Vorschlag, unter dem Dach des Arbeitsschutznetzwerks EUROSHNET2 eine Anlaufstelle einzurichten, in der Experten europaweit innerhalb einer vorgegebenen Zeit Fragen zur Ergonomie bei Maschinen beantworten würden. Ein solches Modell existiert bereits im Bereich der Druckgeräte-Richtlinie.

Als weiterer Punkt wurde angeregt, durch neue Forschungsinitiativen die Ergonomie fundiert weiterzuentwickeln und die Erkenntnisse für die Normung nutzbar zu machen.

Das langfristig Wichtigste ist jedoch die Überzeugungsarbeit an der Basis. In der Ausbildung, beginnend bei Konstrukteuren, darf die Ergonomie nicht mehr nur ein Randthema sein. Auch Käufer von Maschinen müssen davon überzeugt sein, dass ergonomisch gestaltete Maschinen eine Investition sind, die sich auszahlt, denn die Gesundheit und Zufriedenheit von Maschinennutzern führt zu höherer Produktivität.

Damit all diese Vorschläge nicht mit einen zustimmenden Nicken der Konferenzteilnehmer in den Tagungsakten verschwinden, hat sich bereits am Rande der Konferenz eine kleine Gruppe verabredet, um die in zweieinhalb Stunden natürlich nur grob formulierten Ziele und Aufgaben zu einem Handlungsplan weiterzuentwickeln.

Dr. Fabio Strambi         f.strambi@usl7.toscana.it

Thomas Kolbinger        thomas.kolbinger@dguv.de

1 Federation of European Ergonomics Societies, www.fees-network.org
2 www.euroshnet.org