KANBrief 3/20

Internationale Präsenz zählt – auch für den Arbeitsschutz

Seit Juni 2020 ist Kai Schweppe neuer Vorsitzender der KAN. Die wirtschaftliche und ergonomische Gestaltung von Arbeit steht für ihn seit jeher im Mittelpunkt. Nach seinem Ingenieur-Studium hat er zunächst in der Bekleidungsindustrie im Bereich Betriebs- und Arbeitsorganisation gearbeitet. Im Jahr 2000 nahm er die Tätigkeit als Verbandsingenieur beim Arbeitgeberverband Südwestmetall auf. Seit 2011 verantwortet Kai Schweppe die Abteilung Arbeitspolitik – seit 2013 als Geschäftsführer.

Herr Schweppe, auf welchem Weg sehen Sie die KAN heute, und wo möchten Sie hin?

Vor einiger Zeit haben wir im KAN-Vorstand strategische Entwicklungsziele für die KAN erarbeitet. Die KAN soll künftig noch stärker zu einem Forum für Fragen der Normung und des technischen Regelwerks im Arbeitsschutz werden. Über Fachgespräche und Workshops möchten wir noch mehr Kreise als bisher in die Meinungsbildung einbeziehen.

Was bedeutet Europa für die KAN, und welche Rolle kann sie dort übernehmen?

Die europäische Ebene wird immer wichtiger. Denn was in Brüssel entschieden wird, hat immer mehr Bedeutung für die nationale Ebene. Wir sind daher gerade dabei, eine KAN-Präsenz in Brüssel aufzubauen, um einen noch direkteren Draht zu den europäischen Institutionen, Normungsorganisationen und Verbänden aufzubauen – sowohl in Hinblick auf die Sozialpolitik als auch auf die Normung.

Bei CEN bauen wir im Strategischen Beratungsgremium für Arbeitsschutz, SABOHS, gerade ein Frühwarnsystem für Normungsinitiativen im Bereich des betrieblichen Arbeitsschutzes auf. Beim Beratenden Ausschuss für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz der EU sind wir in der Arbeitsgruppe Normung vertreten. Über EUROSHNET sind wir zu Fragen der Normung, Prüfung und Zertifizierung mit anderen Arbeitsschutzinstitutionen vernetzt. Wir sind also an vielen Stellen schon europäisch aktiv. Es ist aber unser Ziel, in Brüssel als Stimme des Arbeitsschutzes noch bekannter zu werden. Wir dürfen aber nicht in Europa stehenbleiben, sondern müssen insbesondere auch der internationalen Normung etwas entgegenstellen, denn diese greift immer häufiger in den sozialpartnerschaftlichen Dialog ein.

Wie sehen Sie künftig die Rolle der Prävention in der Normung?

Wenn es um die Sicherheit von Produkten geht, ist Normung Prävention an der Quelle. Für die betriebliche Ebene haben wir in Deutschland oftmals ein sehr ausdifferenziertes, zweigleisiges Arbeitsschutzsystem bestehend aus gesetzlichen Vorgaben einerseits und Regelungen der Unfallversicherungsträger andererseits. Dort wo nationale Regelungen bestehen oder sinnvoll sind, ist es uns ein großes Anliegen, eine dritte Regelungsebene in Form von Normen zu vermeiden. Ansonsten würden unter Umständen widersprüchliche Regelungen entstehen, die die Unternehmen in der Praxis gar nicht mehr umsetzen könnten.

Einige europäische Länder haben allerdings andere Strukturen und greifen gerne auf die Normung zurück, um Arbeitsschutzthemen zu regeln. Hier müssen wir uns klar positionieren: Wir wollen Arbeitsschutz in der technischen Normung mitdenken, denn Maschinen sollen möglichst ungefährlich sein und den Menschen schützen. Wir wollen aber grundsätzlich keine Normen mit Schwerpunkt im betrieblichen Arbeitsschutz oder Normen, die in die Regelungsbereiche der Sozialpartner eingreifen. Wir wollen auch keine Normen zu Managementsystemen. Diese Systeme bringen insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen oft große Aufwände für Zertifizierungen mit sich, ohne dass sie immer einen konkreten Nutzen haben.

Wie verändert die Digitalisierung die Normung?

Die Digitalisierung erfordert neue Schutzkonzepte, denn digitale Produkte können über vernetzte Systeme leicht im Nachhinein verändert und mit neuen Eigenschaften ausgestattet werden. Zudem geht die technische Entwicklung in diesem Bereich so schnell voran, dass es immer schwieriger wird, den Stand der Technik festzulegen. Die Normung setzt daher zunehmend auf Dokumente wie PAS und CWA, die einfacher und schneller erstellt werden können.

Das Problem mit diesen schnellen Normungsdokumenten ist, dass bei ihrer Erarbeitung nicht alle interessierten Kreise mit am Tisch sitzen. So legen nur diejenigen den Stand der Technik fest, die z.B. ein großes marktstrategisches Interesse haben. Wir stehen hier vor einem Dilemma: Wie können wir möglichst schnell sein mit der Normung und dabei gleichzeitig alle interessierten Kreise einbinden, möglichst sogar international? Es hört sich schön an, dass prinzipiell alle teilnehmen können, aber das muss man in der Praxis erst einmal weltweit organisiert bekommen. Hier müssen neue Lösungen der Beteiligung gefunden werden.