KANBrief 4/09

Beteiligung an der Normung auf der politischen Agenda

Bei der Erarbeitung der rund 1500 Europäischen Normen pro Jahr ist die Beteiligung aller interessierten Kreise wichtig, da nur so eine breite Akzeptanz der Normen zu erreichen ist. In der Praxis wird dieses Ziel jedoch nicht immer erreicht. In zwei Studien wurden kürzlich die Gründe hierfür analysiert und mögliche Verbesserungsmaßnahmen aufgezeigt.

Die im März 2009 abgeschlossene europäische Studie Access to standardization, die von der Europäischen Kommission in Auftrag gegeben wurde, stützt sich auf die Ergebnisse einer Befragung in 26 europäischen Ländern. 81 Normungsorganisationen und Expertengruppen sowie 417 Vertreter interessierter Kreise äußerten sich zur Bedeutung der Normung, zu den mit der Normung verfolgten Zielen sowie zu den Hindernissen, die der Beteiligung am Normungsprozess und der Anwendung von Normen entgegenstehen.

Die Befragung ergab, dass die einzelnen interessierten Kreise unterschiedliche Akzente setzen, warum sie sich an der Normung beteiligen: Sie wollen sicherstellen, dass für sie bedeutsame Aspekte angemessen in Normen aufgenommen werden (insbesondere Unternehmen und Arbeitgeberverbände), sie möchten potentiell nachteilige Inhalte in Normen vermeiden (Gewerkschaften und Umweltschützer), einen Beitrag zu besser formulierten Normen leisten (Verbraucherorganisationen) oder möglichst frühzeitig über neue technische Entwicklungen informiert sein (große Unternehmen, Forschung, Prüfung, Zertifizierung, Berater).

Die größten Schwierigkeiten, an der Normung mitzuwirken, sehen Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen sowie Gewerkschaften. Als Hauptprobleme werden der erhebliche Zeitaufwand, Reisekosten, finanzielle Beiträge für die Mitarbeit in Normungsgremien und die Bürokratie und Komplexität des Normungssystems genannt.

Die Anwendung von Normen wird nach Aussage der Befragten durch den Preis der Normen, die Umsetzungskosten und die zahlreichen Verweise auf weitere Normen erschwert. Hingegen sehen sie auch große Vorteile: Normen erleichtern es, Rechtsvorschriften und Kundenanforderungen zu erfüllen, Produkte und Dienstleistungen auf dem neuesten Stand anzubieten, klar und unmissverständlich mit Marktteilnehmern zu kommunizieren und Produkte kompatibel zu machen.

Aus der Studie wurden 13 konkrete Empfehlungen zur Verbesserung des Zugangs zur Normung abgeleitet (siehe Tagungsband zum Kolloquium (KAN-Bericht 45), die derzeit innerhalb der Europäischen Kommission diskutiert werden.

Die Studie „Maßnahmen zur Unterstützung von KMU im Umgang mit Normen und Normung“ wurde 2008 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) in Auftrag gegeben. Kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) fällt es häufig schwer, die für ihre Branche relevanten Normen zu recherchieren und anzuwenden sowie deren Bedeutung für das eigene Geschäftsfeld abzuschätzen. Die Studie zeigt sieben Handlungsfelder für politische Maßnahmen auf, mit denen KMU in der Normung unterstützt werden können:

  • Intensivierung des Informations-, Beratungs- und Schulungsangebots, um die wirtschaftlichen Vorteile und Beteiligungsmöglichkeiten an Normungsprozessen besser bekannt zu machen.
  • Stärkere Vermittlung von Wissen zum Thema Normung in der Berufsausbildung und im Hochschulstudium.
  • Die Kommission Mittelstand (KOMMIT) im DIN sollte KMU als zentraler Ansprechpartner zur Verfügung stehen und über neue Normanträge und Normentwürfe informieren.
  • Normtexte sollten einfacher und verständlicher sein. Überschneidungen von technischen Regeln und Verordnungen mit Normen sollten verhindert bzw. abgebaut werden.
  • Das Online-Kommentierungsportal für Normentwürfe sollte zügig ausgebaut werden, um KMU die Abgabe von Stellungnahmen zu erleichtern. Zudem sollte die Möglichkeit der Einrichtung eines KMU-Fonds geprüft werden, mit dem die Mitarbeit von KMU in Arbeitsgremien individuell unterstützt werden könnte.
  • Kritische Prüfung und Vereinheitlichung der Preis- und Lizenzmodelle des DIN und der DKE.
  • Vorgeschlagen wird, bei allen betroffenen Bundesministerien Normungskoordinatoren zu etablieren, um die Förderprogramme der Ministerien besser zu koordinieren.

Die in der Studie aufgezeigten Ansatzpunkte werden zurzeit in den zuständigen Gremien des BMWi auf ihre Umsetzbarkeit geprüft.

Bettina Palka