KANBrief 4/09

Beteiligung des Arbeitsschutzes an der Normung – Was erwarten die interessierten Kreise?

Das KAN-Kolloquium gab den Arbeitsschutzkreisen Gelegenheit, ihre aktuellen und zukünftigen Erwartungen an die Normung und an die Arbeit der KAN darzustellen.

Norbert Breutmann, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände

In Zukunft wird darüber nachzudenken sein, wie die Aufgaben der KAN an die weltweiten wirtschaftlichen Veränderungen angepasst werden können. Dazu gehört zum Beispiel die Frage, wie sich der Gemeinsame Deutsche Standpunkt im Hinblick auf die internationale Normung weiterentwickeln wird. Die Ausgestaltung dieser Rahmenbedingungen ist maßgeblich für die Beteiligung der Arbeitgeber an der Arbeit der KAN, aber auch für die Mitwirkung am Normungsprozess. Zwar steht der Arbeits- und Gesundheitsschutz auch im Mittelpunkt der Arbeitgeberbeteiligung, da die Arbeitgeber zu ihrer Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern stehen. Wichtig ist ihnen als wesentlicher Marktteilnehmer aber auch, dass es zu keinen weiteren direkten oder indirekten Belastungen für die Arbeitgeber bzw. die Unternehmen durch fehlgeleitete Aktivitäten im gesamten Normungsbereich kommt.

Aus Sicht der BDA kann es nicht sein, dass nationale Alleingänge (zum Beispiel im Bereich der Schutzklauselverfahren) oder überzogene Arbeitsschutzforderungen in den Normungsprozess eingebracht werden und so die deutsche Wettbewerbsfähigkeit behindern. Nach Auffassung der BDA gehört es zu den wichtigen Aufgaben der KAN, einer weiteren Überregulierung im Arbeitsschutz entgegenzuwirken und so einen Beitrag zum dringend notwendigen Bürokratieabbau in Deutschland zu leisten.

Es darf nicht sein, dass normative Regelungen in die betrieblichen Belange des Arbeitsschutzes eingreifen, soweit sie Pflichten des Arbeitgebers, Rechte und Pflichten der Mitarbeiter und die Organisation des Arbeitsschutzes betreffen. Diese sind durch verbindliche Vorschriften umfassend und abschließend geregelt.

Die Beteiligung der Arbeitgeber als Betreiber oder Nutzer genormter Produkte oder Dienstleistungen am Normungsprozess war bisher im Gegensatz zum herstellenden Gewerbe eher gering und wird es realistisch gesehen auch in Zukunft bleiben, von Ausnahmen wie der Ergonomienormung abgesehen. Daher wird es immer wichtiger werden, dass die KAN ihre Aufgaben mit Augenmaß wahrnimmt und sowohl die Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen als auch den einfachen, störungsfreien und sicheren Betrieb beachtet.

Marina Schröder Deutscher Gewerkschaftsbund

Auch künftig liegen in der Normung die wesentlichen Herausforderungen für eine Beteiligung, die diesen Namen verdient, zum einen in einer finanziellen, zum anderen in einer institutionellen Förderung für Arbeitnehmer und Gewerkschaften. Nach wie vor besteht das Problem, dass man die fertigen Normen kaufen muss. Dies ist dort akzeptabel, wo Normen als Verständigungs- und Rationalisierungsmittel für private wirtschaftliche Akteure dienen. Es ist aber nicht akzeptabel für Normen, die im öffentlichen Auftrag erstellt und mit öffentlichen Mitteln finanziert werden.

In gleicher Weise wie beim Zugang zu den Normungsdokumenten ist auch beim Zugang zu den Normungsgremien zu differenzieren. Der Hinweis, dass die Normungsgremien selbstverständlich allen interessierten Kreisen offen stehen, ist gut gemeint. Die Normungsinstitute haben mit ihren Beiträgen jedoch hohe Eintrittshürden errichtet. Außerdem sind Arbeitszeit und Reisekosten zu bezahlen. Diese Kosten müssen öffentlich getragen werden, wenn Arbeitnehmer ihr öffentliches Interesse in der Normung vertreten und ihr Expertenwissen einbringen sollen.

Mit der KAN besteht ein Instrument, durch das die Arbeitnehmer wenigstens mittelbar in die Normungsarbeit einbezogen sind. Es wäre hilfreich, wenn es auch in anderen europäischen Ländern Einrichtungen wie die KAN gäbe und die einzelnen Mitgliedstaaten die wirksame Einbeziehung der Sozialpartner bzw. Gewerkschaften in die Normungsarbeit absichern würden.

Eine Einrichtung wie die KAN erfährt jedoch die Grenzen nationaler Beteiligung, wenn die eigentlichen Normungsentscheidungen auf europäischer Ebene fallen. Einen Minderheitenschutz, damit ein wesentlicher interessierter Kreis in einem Normungsgremium nicht überstimmt werden kann, gibt es im DIN, aber nicht im CEN. Die Gewerkschaften fordern für europäische Abstimmungen eine analoge Regelung, damit bei harmonisierten Normen die öffentlichen Anliegen nicht von privatwirtschaftlichen Interessen überstimmt werden können. Und wenn in Normen der Arbeitsschutz behandelt wird, muss den letztlich Betroffenen, nämlich den Arbeitnehmern, eine bevorzugte Mitwirkungs- und Mitentscheidungsmöglichkeit im europäischen Rahmen eröffnet und garantiert werden.

Michael Koll Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Die Grundlage für eine breite Beteiligung an der Normung und für die effiziente und effektive Vertretung einer gemeinsamen Arbeitsschutzposition ist in Deutschland 1994 mit der KAN geschaffen worden. Durch ihre Mitgliedschaft im Ausschuss für technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte (AtAV) berät die KAN die Bundesregierung in Fragen der Produktsicherheit. Dies ist seit 2004 im Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) verankert und stellt – neben dem New Approach auf europäischer Ebene – eine weitere Verzahnung zwischen rechtlichen Sicherheitsanforderungen, Normen und Arbeitsschutzerfordernissen dar. Dadurch, dass immer mehr Produkte sowohl im betrieblichen als auch im privaten Bereich eingesetzt werden (Migrationsprodukte), stellt sich die Frage, wie die sicherheitstechnischen Aspekte dieser Produkte in das Betätigungsfeld der KAN einfließen können.

Mindestens genauso bedeutsam wie die Rolle des Rechtsrahmens ist die Marktüberwachung. An dieser Stelle setzt die aktive Zusammenarbeit der Länder mit der KAN an, die 2003 durch eine Kooperationsvereinbarung zwischen KAN und Ländern (vertreten durch den Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI)) in zahlreichen Produktbereichen noch intensiviert wurde.

Die öffentliche Hand nutzt die KAN zudem gemeinsam mit den anderen Arbeitsschutzkreisen als Informations- und Diskussionsforum. Bei der Einleitung eines formellen Einwandes gegen eine harmonisierte Norm ist die KAN im behördlichen Zusammenspiel zwischen Bund und Ländern als wichtiger Partner etabliert.

Mit der fortschreitenden Globalisierung der Märkte ist zwangsläufig eine Internationalisierung der Normung eingetreten, die auch neue Herausforderungen an die Beteiligung des Arbeitsschutzes stellt. Jetzt gilt es verstärkt, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten und durchzusetzen, die im Normungsprozess auf internationaler Ebene die Beteiligung des Arbeitsschutzes und eine konzentrierte und wirksame Vertretung der Arbeitsschutzinteressen sicherstellen. Gerade darin liegt eine für die KAN künftig immer wichtigere Aufgabe.

Dr. Walter Eichendorf Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung

Zwischen den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung und dem DIN findet seit vielen Jahren eine kontinuierlich ausgestaltete und gut funktionierende Zusammenarbeit statt. Aktuell wirken rund 450 Experten der Unfallversicherungsträger auf deutscher, europäischer und internationaler Ebene an der Gestaltung eines sicherheitstechnisch hochwertigen Normenwerks mit.

Wir werden auch in Zukunft unseren Einfluss auf die Normung in Gestalt einer engagierten und richtungweisenden Mitarbeit unserer Experten fortführen und bei Bedarf durchaus auch verstärken. So rasant wie die Technik sich entwickelt, muss auch die Normung über die Beschaffenheit technischer Produkte entwicklungssynchron den Stand der Sicherheitstechnik abbilden. Die Beteiligung der Unfallversicherungsträger wird daher auch in Zukunft auf diesem Gebiet nicht nachlassen.

Die Beteiligung an der Normung geht jedoch über die Mitarbeit in Normungsgremien hinaus. Die heutige Informationstechnik erschließt neue Möglichkeiten zur Schaffung von Netzwerken. Vernetztes Expertenwissen ist global verfügbar und kann zu einer zeitnahen Optimierung von Prozessen, Lösungen und Produkten beitragen. Eine Grundlage hierfür bietet das vor einigen Jahren auf Initiative der KAN ins Leben gerufene Netzwerk EUROSHNET, das einen Ländergrenzen überschreitenden Austausch von Expertenwissen in nahezu allen technischen Fragen der Produktsicherheit und der Normung ermöglicht.

Gleichwohl findet die Normung ihre Grenzen dort, wo sozialpolitische oder gesellschaftspolitische Entscheidungen gefordert sind, die sich nicht oder nicht nur anhand technischer Zusammenhänge ableiten lassen. Hier hat entweder der Gesetzgeber oder im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung deren Selbstverwaltung die Maßstäbe für abstrakte Werte wie Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer zu setzen. Normung im betrieblichen Arbeitsschutz ist aus diesem Grund – von Ausnahmen abgesehen – nicht erwünscht und wird von den Unfallversicherungsträgern abgelehnt.