KANBrief 4/20
Spätestens seit dem globalen Lockdown aufgrund der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 sind Alltagsmasken bekannt. Sie werden als ein Teil der Hygienemaßnahmen zur Eindämmung des Virus eingesetzt. Gewerbliche Hersteller bieten Alltagsmasken an, sie können aber auch selbst angefertigt werden. Ihrer Funktion nach werden Alltagsmasken auch als „Mund-Nase-Bedeckung“ (MNB) bezeichnet. Schon hier soll der Unterschied zu einem „Schutz“ deutlich werden.
Die deutsche SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel definiert MNB als „textile Bekleidungsgegenstände, die mindestens Nase und Mund bedecken und die geeignet sind, die Geschwindigkeit des Atemstroms oder des Speichel-/Schleim-/Tröpfchenauswurfs deutlich zu reduzieren.“ Durch die Barriere vor Mund und Nase gelangen der Atem und mit ihm die Tröpfchen und Aerosole weniger stark und weniger schnell in die Umgebung. Da das SARS-CoV-2 Virus vornehmlich an diese Tröpfchen und Aerosole angedockt ist, wird seine Verbreitung und die Ansteckungsgefahr für dritte Personen reduziert. Alltagsmasken dienen damit hauptsächlich dem Fremdschutz.
Alltagsmasken sind weder als Medizinprodukte noch als persönliche Schutzausrüstung (PSA) eingestuft, da keine entsprechende Schutzwirkung vorliegt bzw. versprochen wird. Im Gegensatz zu den MNB erfüllen medizinische Gesichtsmasken für den Fremdschutz (auch als Mund-Nase-Schutz oder OP-Masken bezeichnet) (Europäische Richtlinie für Medizinprodukte 93/42/EWG EN 14683 „Medizinische Gesichtsmasken – Anforderungen und Prüfverfahren“) und partikelfiltrierende Halbmasken (FFP-Masken) (Europäische PSA-Verordnung 2016/425 EN 149 „Atemschutzgeräte – Filtrierende Halbmasken zum Schutz gegen Partikeln – Anforderungen, Prüfung, Kennzeichnung“) für den Eigenschutz gesetzliche und normative Vorgaben, die Anforderungen an die Schutzwirkung stellen. Dies wird in einem Schreiben der zuständigen Abteilung der Generaldirektion Justiz und Verbraucher der Europäischen Kommission an die europäische Normungsorganisation CEN bestätigt. Darin erläutert die Kommission, dass Alltagsmasken unter die Europäische Richtlinie zur allgemeinen Produktsicherheit fallen. Dies wäre nicht der Fall, wenn in der Union spezifischere Sicherheitsregeln für diese Produkte gälten.
Ungeachtet dessen sind Alltagsmasken Teil der durch die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel vorgegebenen Maßnahmen des Arbeitsschutzes, um die Gesundheit der Beschäftigten in der Zeit der Pandemie zu schützen. Der Grund hierfür ist sicher auch die Tatsache, dass insbesondere zu Beginn der Pandemie ein Mangel an Masken mit Schutzwirkung bestand. Vorhandene OP-Masken und PSA wurden vorrangig medizinischem Personal zur Verfügung gestellt. Im privaten Bereich und am Arbeitsplatz wurde die Alltagsmaske als Behelf vorerst beibehalten.
Im Juni 2020 wurde das CEN Workshop Agreement CWA 17553 (Community face coverings - Guide to minimum requirements, methods of testing and use) zu Alltagsmasken veröffentlicht. Es legt Mindestanforderungen für wiederverwendbare oder Einweg-Alltagsmasken für die Allgemeinheit fest und will so potentielle gewerbliche Hersteller unterstützen. Darin sind Mindestanforderungen für Materialeigenschaften, Größe, Reinigung und Kennzeichnung, aber auch für Parameter wie Filterleistung und Atemwiderstand festgelegt. Zu einigen dieser Aspekte werden Prüfmethoden formuliert. Auf Basis dieses CWAs will nun das technische Komitee CEN/TC 248 „Textilien und textile Erzeugnisse“ eine Vornorm (CEN/TS) erarbeiten.
Die KAN sieht dieses Normungsvorhaben kritisch. Wie erläutert, wurden Alltagsmasken, insbesondere für den Einsatz am Arbeitsplatz, in Zeiten eingeführt, zu denen die üblichen Schutzmasken nicht in ausreichender Anzahl zur Verfügung standen. Mit einer Norm würde diese aus der Not heraus geborene Lösung weiter gefestigt. In Arbeitsschutzkreisen besteht die Sorge, dass die Alltagsmasken auch noch genutzt werden, wenn die Pandemie vorüber ist oder wenn wieder ausreichend übliche Schutzmasken zur Verfügung stehen. Der Inhalt des CWAs lässt außerdem erwarten, dass die für Alltagsmasken geforderten Sicherheitskriterien näher an die für OP-Masken heranrücken. Dies ist aber ein unnötiger Schritt, da mit den gesetzlichen und normativen Regelungen zu den medizinischen Gesichtsmasken ein etabliertes und bewährtes System existiert.
Die Arbeiten an der CEN/TS-Vornorm werden bald beginnen. Auch wenn DIN aufgrund des ablehnenden Votums der KAN mit Enthaltung gestimmt hat, werden sich deutsche Arbeitsschutzexperten an diesem Projekt beteiligen. Es ist zu hoffen, dass keine Parallelwelt entsteht und dass insbesondere die bewährten Lösungen für den Schutz am Arbeitsplatz nicht aufgeweicht werden.
Dr. Michael Thierbach
thierbach@kan.de