KANBrief 1/21

Forderungen des Handwerks an die Normung

Transparent, praxistauglich und mit mehr Beteiligung

In Deutschland sind rund eine Million Handwerksbetriebe mit über 130 unterschiedlichen Berufen tätig. Ihre Wertschöpfungsketten decken zahlreiche Produkte mit einfachen bis hochkomplexen Technologien und den dazugehörigen Dienstleistungen ab, für die Normen jeweils den Stand der Technik angeben. Diese müssen eine hohe Qualität aufweisen, insbesondere aber auch auf die besonderen Bedürfnisse des Handwerks (ZDH-Positionspapier) abgestimmt sein.

Zukunftsfähige Normung: Was ist wichtig?

Aus Sicht des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) ist es zwingend erforderlich, die Normung auf allen Ebenen transparenter zu gestalten und mehr Beteiligungsmöglichkeiten zu schaffen. Notwendig ist, dass die Europäische Kommission ihre Verfahren zur Erstellung von Normungsmandaten oder delegierten Rechtsakten zur Normung so gestaltet, dass sich auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in ausreichendem Maße beteiligen können.

Handwerksvertreter sind in nationalen, europäischen und internationalen Normenausschüssen oft deutlich unterrepräsentiert. Der ZDH appelliert daher an die Bundesregierung und die Europäische Kommission, wie in der Verordnung über die Europäische Normung (EU) 1025/2012 festgeschrieben, eine wirkungsvolle Beteiligung von KMU im Normungsgeschehen sicherzustellen und zu unterstützen. Auf europäischer Ebene besteht bereits die Vertretung durch Small Business Standards (SBS). Dieser Ansatz ist wichtig, sollte aber angesichts der Fülle an Normungsvorhaben und zu erwartenden neuen Vorhaben zukunftssicher vertieft werden. Mittelkürzungen in diesem Bereich gehen derzeit in die völlig falsche Richtung.

Die konkrete Normungsarbeit sollte zudem KMU-gerechter organisiert werden. Weil KMU und ihre Vertreter nicht regelmäßig den Betrieb verlassen können, müssen die verfügbaren digitalen Wege auch nach der Corona-Pandemie intensiver genutzt werden, um die Mitwirkung an der Normungsarbeit auch aus der Ferne zu ermöglichen.

Normen in der handwerklichen Praxis

Im Laufe der Zeit sind fachspezifische Normen immer komplexer geworden. So ist die Fassadennorm in zehn Jahren von 40 auf 170 Seiten angewachsen. Hinzu kommt eine stetig wachsende Anzahl von europäischen und internationalen Normen sowie eine gerade in den letzten Jahren zunehmende Zahl an Querschnittsnormen. Diese beziehen sich z.B. auf Maschinensicherheit, Produktsicherheit, Ergonomie oder Barrierefreiheit, nicht aber auf ein konkretes Produkt. Damit sind sie für das Handwerk wesentlich schwerer identifizierbar und umzusetzen als Produktnormen. Hier ist die Schaffung eines effizienten Normenmonitorings erforderlich, das es KMU ermöglicht, schnell die für sie relevanten Normen und Normungsvorhaben zu überblicken.

Normen müssen sich an den allgemein anerkannten Regeln der Technik orientieren. Viel zu häufig wird allerdings der Stand der Forschung als Maßstab herangezogen. Dies führt dazu, dass Normen in der Praxis zunehmend schwieriger anzuwenden sind. Was früher aus Tabellen ablesbar war, muss heute häufig anhand von multifaktoriellen Referenzmethoden und Rechenverfahren selbst erarbeitet werden. Dies ist in einem handwerklichen Umfeld nur schwer umsetzbar.

Hinzu kommt, dass Produktnormen immer häufiger durch insbesondere europäische Dienstleistungsnormen gedoppelt werden. Damit sind im Zweifel zwei Normen zu berücksichtigen und anzuwenden. In vielen Fällen konterkarieren diese Dienstleistungsnormen die Erfahrung und das Wissen, welches in Deutschland durch die Meisterqualifikation vorhanden ist. Diese Dopplungen sind in der Zukunft unbedingt zu vermeiden.

Auch darf die Ausübung bestimmter Verfahren nicht – wie z.B. in der Restaurierung versucht – an spezielle, in Normen festgelegte Qualifikationen gebunden werden. Verfahrensnormen zur Auftragsvergabe sind aus Sicht des ZDH ebenfalls überflüssig, da diese in Deutschland klar geregelt ist.

Normen und Normung müssen transparent, verständlich, leicht zugänglich und praxistauglich ausgestaltet werden. Wir setzen uns im Rahmen unserer Normungsstrategie dafür ein, diese Prinzipien wieder stärker zu verankern.

Holger Schwannecke
Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks