KANBrief 4/23

Absturzsicherungen auf Autotransportwagen bei Eisenbahnen

Zum Transport von Personenkraftwagen (Pkw) kommen bei Eisenbahnen seit vielen Jahren unter anderem doppelstöckige offene Autotransportwagen zum Einsatz. Bei den Be- und Entladevorgängen werden Beschäftigte auch auf der oberen Ladeebene von Eisenbahnfahrzeugen tätig. Diese weisen jedoch Absturzsicherungen mit einer Geländerhöhe weit unter 1,00 Meter auf. Die neue Schrift „Fachbereich AKTUELL FBVL-011“ will die Gefährdungen für die Beschäftigten minimieren und beteiligte Unternehmen dabei unterstützen, wirksame Sicherheitsmaßnahmen gegen Absturz zu ergreifen.

Bei den Tätigkeiten des Be- und Entladens von offenen Autotransportwagen, z.B. beim Gehen neben Personenkraftwagen oder beim Anbringen/Entfernen von Ladesicherungen, bestehen für die Beschäftigten Gefährdungen durch Absturz. Diese ergeben sich dadurch, dass sich die obere Ladeebene in einer Höhe von ca. 2,6 Metern über der Schienenoberkante befindet, an den Längsseiten angebrachte waagerechte Seile jedoch lediglich eine Höhe von 0,6 Metern über der begehbaren Ladeebene aufweisen (siehe Bild).

Begründet wird diese niedrige Höhe dadurch, dass nach der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung für Rangier- und Zugfahrten bestimmte Umgrenzungen für Eisenbahnfahrzeuge einzuhalten sind. Höhere Geländer wurden in der Vergangenheit aufgrund möglicher Fehlbedienungen und daraus unkalkulierbaren Gefährdungen für den Eisenbahnbetrieb während der Fahrbewegung abgelehnt (z.B. wenn die Geländer vor Beginn der Fahrt nicht heruntergeklappt werden). Außerdem sind rechtliche Bestimmungen des Eisenbahnbetriebes zu beachten, die den Einsatz von ortsfesten Einrichtungen mit Absturzsicherungen aufgrund zu geringer Abstände zwischen zwei Gleisen häufig nicht ermöglichen.

Zur Minimierung der Gefährdungen für Beschäftigte durch Absturz wurden in der Vergangenheit organisatorische und betriebliche Sicherheitsmaßnahmen festgelegt, z.B. Einsatz von tauglichem und besonders unterwiesenem Personal oder Verwenden von trittsicherem Schuhwerk.

Aktualisierte Betrachtung nach Änderung der rechtlichen Vorgaben

Die Tätigkeiten des Be- und Entladens auf offenen Autotransportwagen wurden und werden bis heute – zumindest teilweise – entsprechend den zuvor genannten Festlegungen ausgeführt.

Recherchen haben ergeben, dass die in Europa gebauten und zu verladenden Personenkraftwagen über die letzten 20 Jahre durchschnittlich zehn Zentimeter breiter und 20 Zentimeter länger geworden sind. Unverändert blieben jedoch die Abmessungen der Autotransportwagen. Infolgedessen haben sich die nutzbaren Räume/Abstände für die Beschäftigten auf den Autotransportwagen verkleinert, so dass sich das Risiko des Abstürzens weiter erhöht.

Rechtlich gesehen sind Eisenbahnfahrzeuge Arbeitsmittel. Somit fallen auch Autotransportwagen unter den Geltungsbereich der Betriebssicherheitsverordnung. In den Technischen Regeln für Betriebssicherheit „Gefährdung von Beschäftigten durch Absturz – Allgemeine Anforderungen“ (TRBS 2121) wird konkretisiert, wie Gefährdungen zu beurteilen und Maßnahmen gegen Absturz zu gestalten sind. Daraus folgt, dass grundsätzlich das jeweilige Umschlagsunternehmen für die Tätigkeiten im Rahmen des Pkw-Umschlags geeignete Sicherheitsmaßnahmen gegen Absturz festlegen muss. Erschwert werden die Maßnahmen des Arbeitsschutzes jedoch dadurch, dass an Fahrzeugtransporten verschiedene Unternehmen mittelbar und unmittelbar beteiligt sind, z.B. die Hersteller der Eisenbahnfahrzeuge, Betreiber der Gleisanlagen, Eisenbahn-Transportunternehmen, Versender der Kraftfahrzeuge sowie die Terminalbetreiber und deren Subunter­-
nehmen, die die Umschlagarbeiten durchführen.

Geeignete Lösungsansätze im Blick

Da es kostenintensiv und in vorhandenen Gleisanlagen schwierig bis nicht umsetzbar ist, geeignete Einrichtungen gegen Absturz wie Gerüste zur Verfügung zu stellen, sollten vorrangig sichere Arbeitsmittel – also Autotransportwagen mit Sicherung gegen Absturz in ausreichender Höhe – zum Einsatz kommen.

Zwischenzeitlich bieten mehrere Hersteller Autotransportwagen mit klappbaren Geländern an, die in aufgestellter Position eine Höhe von mindestens 1,00 Meter aufweisen und das Schutzniveau für die Beschäftigten deutlich erhöhen. Diese Geländer stellen den Stand der Technik dar, der auch den Anforderungen der Betriebssicherheitsverordnung hinsichtlich der Absturzgefährdung entspricht.

Das Sachgebiet „Bahnen (Spurgeführte Verkehrssysteme)“ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) setzt sich gemeinsam mit der Gewerbeaufsicht des Landes Bremen, dem Eisenbahn-Bundesamt und der KAN dafür ein, auf das Absturzrisiko bei Tätigkeiten auf offenen Autotransportwagen hinzuweisen und möglichst zeitnah die Gefährdungen für die Beschäftigten zu reduzieren. Deswegen hat das Sachgebiet eine „FB AKTUELL“ (Suche FBVL-011) erarbeitet, welche vom Fachbereich „Verkehr und Landschaft“ (FB VL) der DGUV im März 2023 veröffentlicht wurde. Darin werden die Problematik beschrieben und geeignete Lösungsansätze aufgezeigt.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Hersteller von Arbeitsmitteln – auch von Eisenbahnfahrzeugen – die mit dem Einsatz verbundenen Sicherheitsrisiken bewerten, entsprechende Sicherheitsmaßnahmen festlegen und beim Bau der Eisenbahnfahrzeuge berücksichtigen müssen. Dabei sind andere Akteure zu beteiligen bzw. deren Sicherheitspflichten hinsichtlich der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu beachten. Diesen Sachverhalt gilt es bereits bei der Bestellung von Autotransportwagen zu berücksichtigen.

Dipl.-Ing. Gerhard Heres, Unfallversicherung Bund und Bahn
Referat Prävention – Bereich Bahn
Mitglied im DGUV-Sachgebiet „Bahnen (Spurgeführte Verkehrssysteme)“

gerhard.heres@uv-bund-bahn.de

Die Fachbereich AKTUELL „FBVL-011“ will die beteiligten Unternehmen beim Transport von Personenkraftwagen mit Autotransportwagen dabei unterstützen, wirksame Sicherheitsmaßnahmen gegen Absturz zu treffen und somit Beschäftigten, die auf den Ladeebenen von Autotransportwagen tätig werden, ein sicheres und unfallfreies Arbeiten zu ermöglichen.

Mehr zur komplexen Verzahnung von Eisenbahnrecht und Arbeitsschutz findet ihr unter unserem Arbeitsgebiet Transport und Verkehr.