KANBrief 2/23

Neue europäische Maschinenverordnung löst Maschinenrichtlinie ab

Die neue europäische Maschinenverordnung ist fertig. Was sind die wichtigsten Neuerungen und Übergangsfristen?

Nachdem das EU-Parlament am 18. April 2023 der Verordnung zugestimmt hat und am 22. Mai auch der Europäische Rat, wird die Maschinenverordnung voraussichtlich im Juni dieses Jahres im europäischen Amtsblatt veröffentlicht und 20 Tage danach in Kraft treten. Anwendbar für Marktteilnehmer wird die Verordnung jedoch erst 42 Monate nach Inkrafttreten. Bis dahin muss die derzeitige Maschinenrichtlinie 2006/42/EG weiterhin angewendet werden.

Ausstehend und in Arbeit ist in Deutschland ein nationales Durchführungsgesetz zur Maschinenprodukteverordnung, in dem u.a. Regelungen zur Amtssprache und Strafen für Verstöße gegen die Verordnung zu finden sein werden.

Strukturelle und technische Veränderungen

Die europäische Maschinenverordnung besteht aus 52 Artikeln der Verordnung selbst und zehn mitgeltenden Anhängen. Einerseits wurden die Verfahrensabläufe, die die Mitgliedstaaten und die Kommission betreffen, dem „New Legislative Framework“ angepasst. Weiterhin sind die Verfahren, die zur Konformitätserlangung durch die Marktteilnehmer führen, sehr ausführlich und abschließend bestimmt.

Andererseits wurden technische Inhalte geschärft und angepasst. Neben verständlicher aufgebauten Artikeln ist nicht nur die Aufteilung des neuen Anhangs I zu Maschinen mit einem ernsten inhärenten potenziellen Risiko, sondern auch die Implementierung der Themen „Künstliche Intelligenz“ und „Cybersicherheit“ nennenswert. Letztere sind direkt in der Maschinenverordnung verortet, die hier unmittelbar ohne weitere Rechtsakte angewendet werden kann.

Die Anhänge wurden neu sortiert. Der derzeitige Anhang I mit grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen wird Anhang III. Der derzeitige Anhang IV, der eine Liste von Maschinen und Produkten enthält, für die eine Zertifizierung durch eine dritte Stelle verpflichtend ist, wird Anhang I.

Welche Highlights stecken in der neuen Verordnung?

  • Delegierte Rechtsakte: Die Europäische Kommission kann nach einem definierten Verfahren nach Konsultation der Normungsorganisationen CEN oder CENELEC Rechtsakte erstellen, um aus ihrer Sicht fehlende Sachverhalte zu regeln, wenn sie nicht in einem vorher gegebenen Zeitraum von den Normungsorganisationen in Normen verankert wurden.
  • Die Maschinenverordnung wurde von der geplanten KI-Verordnung entkoppelt; wichtige grundsätzliche Punkte zur künstlichen Intelligenz sind für Maschinen in der Maschinenverordnung aufgeführt.
  • Der Begriff des Wirtschaftsakteurs ist neu; dieser ist als Hersteller, autorisierter Repräsentant des Herstellers in der EU, Importeur oder Verkäufer definiert.
  • Das in Deutschland bereits lange praktizierte Verfahren zur „Wesentlichen Veränderung“ von Maschinen wurde in der Verordnung implementiert. Kurz gesagt liegt eine „wesentliche Veränderung“ vor, wenn die in einer Maschine implementierte Sicherheitstechnik nach der Änderung der Maschine nicht mehr ausreicht, um neu auftretenden Gefährdungen zu begegnen.
  • Der neue Anhang I zu Maschinen mit einem ernsten inhärenten potenziellen Risiko besteht aus zwei Teilen: Teil A enthält Maschinen und Produkte, die immer eine Baumusterprüfung durch eine benannte Stelle erfordern. Fahrzeughebebühnen, abnehmbare Wellen und deren Schutzeinrichtungen, teilweise und vollständig selbstlernende Sicherheitskomponenten, sowie portable Eintreibmaschinen müssen zwingend eine Drittstellenprüfung durchlaufen. Teil B beschreibt Maschinen und Produkte, für die Hersteller weiterhin ohne benannte Stelle die Konformität erklären können, sofern sie harmonisierte europäische Normen anwenden, die auch alle Risiken abdecken.
  • Anforderungen an Maschinen, deren Verhalten oder Logik sich vollständig oder teilweise selbst entwickelt, sind beim Abschnitt „Steuerungen“ angedockt.
  • Mobile Maschinen werden in einem nahezu neuen Abschnitt in Anhang III behandelt.
  • E-Bikes, E-Scooter und weitere personenbezogene Fortbewegungsmittel sind Maschinen; Filtersysteme zur Reinhaltung von Fahrerkabinen sind nun Sicherheitskomponenten.

Zusammengefasst ist die neue europäische Maschinenverordnung vom Wesen her recht gut gelungen. Sie passt sich gut in die aktuelle europäische Rechtssetzung ein. Ob sich die eingearbeiteten Punkte in der Praxis bewähren und ob die Umsetzung eindeutig gelungen ist, wird sich in weiteren Diskussionen zeigen müssen.

Christoph Preuße, Sprecher des Arbeitskreises Maschinensicherheit der DGUV
Berufsgenossenschaft Holz und Metall
c.preusse@bghm.de

Fristen für in der neuen europäischen Maschinenverordnung geregelte Sachverhalte

20 Tage nach Bekanntmachung im EU-Amtsblatt Inkrafttreten
Artikel 7 (Sicherheitsbauteile) und Artikel 48 (Ausschussverfahren) gelten
12 Monate nach Inkrafttreten Verfahren für delegierte Rechtsakte: Evaluation und Überprüfung insbesondere der grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen aus Anhang III
24 Monate nach Inkrafttreten Regelungen für notifizierte Stellen gelten
39 Monate nach Inkrafttreten Regelungen für Strafen müssen national umgesetzt sein
42 Monate nach Inkrafttreten Übergangsfrist für Hersteller; bis dahin muss die Maschinenrichtlinie angewendet werden
60 Monate nach Inkrafttreten, 
danach alle fünf Jahre
Die Europäische Kommission muss dem Europäischen Rat einen öffentlichen Bericht über eine Evaluation der europäischen Maschinenverordnung übermitteln.