KANBrief 1/23

Automatisiertes Fahren in betrieblichen Bereichen

Immer mehr Unternehmen setzen automatisierte Fahrzeuge ein. Häufig besteht jedoch Unsicherheit darüber, welche Anforderungen und Bedingungen dabei berücksichtigt werden müssen. Die Fachbereich AKTUELL FBHM 119 gibt Herstellern und Betreibern verschiedener Branchen Hilfestellung für die Gestaltung und den sicheren Einsatz automatisierter Fahrzeuge.

Der Einsatz von Fahrzeugen in Industrie und Handwerk ist mittlerweile von grundlegender wirtschaftlicher Bedeutung und bedient die vielfältigsten Anwendungsfälle. Von allgemeinen Aufgaben zum Transport von Gütern und Personen bis hin zu Spezialanwendungen für bestimmte Einsatzbereiche, Einsatzbedingungen und Kombinationen mit zusätzlichen Aufgaben existiert ein breites Spektrum an Fahrzeugkategorien und -bauarten. Mit der Entwicklung hochautomatisierter Systeme zur Realisierung der Fahraufgabe ergeben sich aus dem Einsatzspektrum die vielfältigsten Anforderungen zu Sicherheit und Gesundheit, insbesondere wenn Fahrzeuge fahrerlos betrieben werden.

Im Bereich des öffentlichen Straßenverkehrs wurde das Straßenverkehrsgesetz (StVG) bereits 2021 durch das Gesetz zum autonomen Fahren geändert und ergänzt. Es folgte eine Verordnung, welche die technischen Anforderungen sowie das Verfahren zur Zulassung autonomer Fahrzeuge regelt. Fahrerlose, automatisierte Anwendungen im betrieblichen Bereich fallen häufig nicht in den Anwendungsbereich des StVG. Somit sind die dort beschriebenen Vorgaben oft nicht verbindlich.

Im staatlichen Arbeitsschutz-Regelwerk wie auch im Regelwerk der DGUV finden sich derzeit kaum Anforderungen an automatisierte Fahrzeuge und fahrbare Arbeitsmaschinen. Im Normenwerk ist für betriebliche Anwendungen zunächst nur die DIN EN ISO 3691-4 „Flurförderzeuge – Sicherheitstechnische Anforderungen und Verifizierung – Teil 4: Fahrerlose Flurförderzeuge und ihre Systeme“ relevant. Der Betrieb fahrerloser Fahrzeuge geht jedoch häufig über den Anwendungsbereich dieser Norm hinaus, zum Beispiel dann, wenn es sich um andere Fahrzeugkategorien oder komplexere Einsatzbedingungen handelt, wie etwa im Mischverkehr oder in Kreuzungsbereichen.

Getrennte Betrachtung nach Einsatzbereichen erforderlich

Die im März 2022 erschienene Fachbereich AKTUELL FBHM-119 „Automatisiert fahrende Fahrzeuge in betrieblichen Bereichen“ gibt Hilfestellung, wie die betrieblichen Präventionsanforderungen ermittelt werden können. Sie wurde unter Beteiligung von mehreren Fachbereichen und Instituten der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) sowie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) erarbeitet und mit Fahrzeugherstellern und Betreibern abgestimmt. Grundlegend wird darin festgestellt, dass die Anforderungen an automatisierte Fahrzeuge in Betrieben stark vom jeweiligen Einsatzbereich abhängig sind. Dies ist im Rahmen der betrieblichen Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen. In der Fachbereich AKTUELL FBHM-119 werden drei verschiedene Bereiche unterschieden:

In öffentlich zugänglichen und vergleichbaren Bereichen müssen dem öffentlichen Straßenverkehr vergleichbare Regelungen gelten. Automatisierte Fahrzeuge müssen die technischen Voraussetzungen für eine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr aufweisen.

In abgeschlossenen Bereichen ohne Zugang von Personen gelten die gleichen Anforderungen wie für automatisierte Fertigungsanlagen. Der Zugang von Personen muss sicher verhindert werden, zum Beispiel durch trennende Schutzeinrichtungen. Im Havarie- oder Instandhaltungsfall sind besondere Schutzmaßnahmen zu treffen, wenn Personen den Bereich betreten müssen.

Das zentrale Augenmerk der Fachbereich AKTUELL FBHM-119 gilt abgeschlossenen Bereichen mit begrenztem Zugang. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Produktions- oder Montageabteilungen sowie jegliche andere betriebliche Bereiche, zu denen nur bestimmte Personen und Fahrzeuge kontrollierten Zugang haben. Dadurch kann eingegrenzt werden, welche Personen und Objekte in diesem Bereich berücksichtigt werden müssen. Diese müssen sicher erkannt und alle zu erwartenden Verkehrssituationen sicher beherrscht werden. Im Rahmen einer speziellen Gefährdungsbeurteilung sind die zu erwartenden Hindernisse und Verkehrsteilnehmer sowie die Komplexität des fahrerlosen Fahrbetriebs zu ermitteln. In einer Matrix lassen sich anschließend die typischen Anforderungen für den jeweiligen Anwendungsfall ableiten. Diese sind jedoch nicht abschließend und müssen stets am Einzelfall verifiziert und gegebenenfalls erweitert werden.

Im Weiteren werden Anforderungen an die funktionale Sicherheit der automatisierten Fahrfunktion beschrieben. Dabei wird auf normative Gestaltungsgrundsätze zur funktionalen Sicherheit Bezug genommen, so unter anderem DIN EN ISO 13849-1 „Sicherheit von Maschinen – Sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen, Teil 1: Allgemeine Gestaltungsleitsätze“ sowie DIN EN 61508 „Funktionale Sicherheit sicherheitsbezogener elektrischer/elektronischer/programmierbarer elektronischer Systeme“.

Automatisiertes betriebliches Fahren bleibt im Blick

Die progressive Entwicklung auf dem Gebiet des automatisierten Fahrens zeigte früh, dass dieses Thema kontinuierlicher Beobachtung bedarf. Daher wurde im Sachgebiet „Fahrzeugbau, -antriebssysteme, Instandhaltung“ des Fachbereichs „Holz und Metall“ der DGUV die Arbeitsgruppe „Automatisiertes Fahren in betrieblichen Bereichen“ gebildet. Diese setzt sich aus Mitgliedern der Projektgruppe zur Erarbeitung der Fachbereich AKTUELL FBHM-119 sowie weiteren Fachleuten zusammen. In engem Kontakt unterstützt die KAN die Arbeitsgruppe bei allen Fragen zur Normung auf diesem Gebiet. Gemeinsames Ziel ist es, Randpunkte für die Normung zu definieren und gemeinsame Standpunkte zu schaffen, die in das Normungsgeschehen einfließen beziehungsweise dieses beeinflussen.

Sven Träger 
Berufsgenossenschaft Holz und Metall 
DGUV Sachgebiet Fahrzeugbau, -antriebssysteme, Instandhaltung