KANBrief 3/23

Der ASGA – ein neuer Ausschuss für übergreifende Arbeitsschutzthemen

Der staatliche Ausschuss für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (ASGA) kam 2021 zu den bestehenden Arbeitsschutzausschüssen beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hinzu. Was sind seine Aufgaben und was war der Anlass für seine Gründung?

Die staatlichen Ausschüsse sind in Deutschland dafür zuständig, (technische) Regeln zu erarbeiten, die die allgemeinen Schutzziele der Einzelverordnungen unter dem Arbeitsschutzgesetz konkretisieren. Koordiniert von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) behandeln sie potentielle Gefährdungsfaktoren des Arbeitssystems wie Gefahrstoffe, Biostoffe, Arbeitsstätten und Betriebsmittel. Die Regeln stellen Arbeitgebern prozess- und gestaltungsbezogene Anforderungen bereit, mit deren Einhaltung die Inhalte der Einzelverordnungen zum Arbeitsschutzgesetz erfüllt werden (Vermutungswirkung).

Durch die Diversifizierung der Arbeitsformen, die Digitalisierung und klimabedingte Einflüsse auf die Arbeitsumgebung ist die bisher konsequent vertikal ausgerichtete Vorgehensweise der Regelsetzung nicht mehr ausreichend, um die aktuellen und zukünftigen Einwirkungen auf die Beschäftigten umfassend zu beurteilen und geeignete Maßnahmen abzuleiten. Auch bei klassischen Themen wie der Gefährdungsbeurteilung und der Unterweisung sind die Anforderungen unabhängig von einzelnen Gefährdungsfaktoren und sollten damit auch aus mehreren Perspektiven (horizontal) betrachtet werden.

Während der Corona-Krise und den damit einhergehenden neuen Herausforderungen an den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz wurde dieser Bedarf besonders offensichtlich. Die SARS-CoV-Regel war die erste Regel, die gezielt faktorenübergreifend ausgelegt wurde. Der erfolgreiche betriebliche Einsatz dieser Regel machte deutlich, dass es sinnvoll ist zu prüfen, für welche weiteren Themenbereiche die Erarbeitung horizontaler Regeln für den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz zielführend ist.

Aus diesem Grund verankerte die im Dezember 2020 veröffentlichte Ergänzung des § 24 a den ASGA direkt im Arbeitsschutzgesetz. Zu den Aufgaben des neuen Ausschusses gehört es unter anderem – soweit kein anderer staatlicher Ausschuss zuständig ist – Regeln und Erkenntnisse zu erarbeiten, wie die im Arbeitsschutzgesetz gestellten Anforderungen erfüllt werden können.

Ein zweiter Anlass zur Etablierung des neuen Ausschusses ist der Mangel an Kohärenz im bestehenden Regelwerk, der mit der streng vertikalen Ausrichtung der etablierten Ausschüsse zusammenhängt. Bereits im Jahr 2011 formulierte das „Leitlinienpapier zur Neuordnung des Vorschriften- und Regelwerks im Arbeitsschutz“ das Anliegen, das autonome Satzungsrecht der Unfallversicherungsträger und das staatliche Regelwerk inhaltlich besser abzustimmen – sowohl miteinander als auch innerhalb der beiden Regelungsbereiche. Der Weg dahin ist in zentralen Handlungsfeldern, wie z. B. der Gefährdungsbeurteilung, immer noch nahezu unbetreten. Es besteht Konsens innerhalb des ASGA, dieses Anliegen konsequent in den Blick zu nehmen.

Zusammensetzung und Arbeitsweise

Die Zusammensetzung des ASGA unterscheidet sich nicht von jener anderer Arbeitsschutzausschüsse. Im Ausschuss sind vom BMAS berufene Fachleute der öffentlichen und privaten Arbeitgeber, der Gewerkschaften, der Landesbehörden, der gesetzlichen Unfallversicherung und der Wissenschaft vertreten. Dem Ausschuss gehören 15 Mitglieder und 15 stellvertretende Mitglieder an.

Die Ausschussvorsitzende koordiniert neben der Leitung des ASGA auch die Zusammenarbeit aller Arbeitsschutzausschüsse in einem Steuerkreis. Dieses Gremium übernimmt eine zentrale Funktion bei der Erarbeitung fachübergreifender, horizontaler Regeln. Die Ausschüsse bringen ihre fachbezogene Expertise über mandatierte Personen direkt in die jeweiligen Projektgruppen ein. Sie sind so von der Erarbeitung der Projektskizze bis zur Verabschiedung der neuen Regel unmittelbar eingebunden. Das ist ein Novum.

Der ASGA tagt zwei Mal im Jahr. Der Steuerkreis fasst seine Argumente und Voten in entsprechende Empfehlungen und legt diese dem ASGA-Koordinierungskreis vor. Der Koordinierungskreis sondiert die aktuellen Themen und Aufgaben und bereitet die Beschlussvorlagen für die ASGA-Sitzungen vor.

Projekte und Schwerpunkte

Der ASGA hat sich – wie alle anderen Ausschüsse auch – ein Arbeitsprogramm für die aktuelle Berufungsperiode gegeben. Kernthemen sind die Gefährdungsbeurteilung, psychische Belastungen, effiziente und zeitgemäße Unterweisungen, ortsflexible Bildschirmarbeit außerhalb von Arbeitsstätten und Auswirkungen des Klimawandels auf Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit. Ziel ist die Entwicklung von staatlichen Regeln, die sich kohärent in das bestehende Regelwerk einfügen.

Herausforderungen gibt es aktuell zahlreiche, denn Veränderungsprozesse laufen nie ganz reibungslos ab. Ziel ist es, den richtigen Weg in eine gute, wertschätzende Ausschusskultur zu finden, um im Konsens das ambitionierte Arbeitsprogramm zu erfüllen. Der ASGA-Vorsitz muss zudem die Entwicklung geeigneter und transparenter Prozesse und Handlungshilfen vorantreiben, die diese Kulturentwicklung unterstützen.

Die Projektgruppe „Gefährdungsbeurteilung“ arbeitet bereits an der Konzeptionierung und inhaltlichen Ausgestaltung einer ASGA-Regel. Die Projektgruppe „Psychische Belastung“ wird voraussichtlich noch in diesem Jahr ihre Arbeit antreten.

Prof. Dr. Anke Kahl
Lehrstuhl für Arbeitssicherheit der Bergischen Universität Wuppertal
Vorsitzende des ASGA