KANBrief 4/16

Intelligente Schutzkleidung – Feuerwehrleute haben das Wort

Intelligente Kleidung hat Konjunktur. Ideen gibt es reichlich, die Umsetzung und die Normung stehen jedoch noch ganz am Anfang. Dies bietet die Chance, von Beginn an die Erwartungen, Erfahrungen und Anregungen der späteren Anwender abzufragen und in die Erarbeitung der Normen einfließen zu lassen. Die KAN hat einen Workshop mit Feuerwehrleuten durchgeführt, der genau das leisten soll und als Blaupause für andere Themen gelten kann.

Jacken mit Freisprecheinrichtung, Sensoren mit Positionsübermittlung, klimatisierte Kleidung, Gesundheits-Überwachungssysteme mit automatischem Notruf – die Liste der Ideen und Anwendungsmöglichkeiten ist lang. Zahlreiche Hersteller entwickeln zurzeit Schutzausrüstungen, die klassische PSA mit intelligenten Sensor- und Datenübertragungsmodulen kombinieren und mehr Sicherheit für die über eine Million Feuerwehrleute in Deutschland versprechen.

Erste Produkte werden auf Messen schon beworben und sind auf dem Markt erhältlich. Harmonisierte technische Spezifikationen sind nun notwendig, um zu gewährleisten, dass diese Produkte verlässlich funktionieren und das bestehende Schutzniveau tatsächlich verbessern. Derzeit wird ein Normungsauftrag der EU-Kommission diskutiert, der zu Normen für intelligente PSA (KANBrief 1/16 „Intelligente persönliche Schutzausrüstungen und Schutzsysteme“) führen soll, die gegen Hitze und Flammen schützen.

Einbindung aller relevanten Anwender

Anwender sind ein interessierter Kreis, der in der Normung generell äußerst spärlich vertreten ist – dabei hätten gerade sie wertvolle Meinungen und Erfahrungen beizutragen. Die KAN möchte helfen, diese Lücke zu schließen, und nutzt dazu ihre engen Kontakte zu Vertretern der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie den Präventionsabteilungen der Unfallversicherer.

Am Workshop im Juni 2016 nahmen Anwender von Berufs-, Werks- und freiwilligen Feuerwehren teil. Die Unfallkassen, bei denen Feuerwehrleute versichert sind, waren ebenso vertreten wie die Forschungsabteilungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV (IFA).

Weniger ist mehr – und keine Spielereien

Manche Feuerwehren haben von intelligenten Schutzausrüstungen gehört oder sich im Rahmen von Messen und Schulungen damit beschäftigt. Allerdings haben nur wenige schon persönliche Erfahrungen mit diesen Produkten. Generelles Fazit des Workshops ist die Forderung, dass die zusätzlichen Funktionen immer einen Zuwachs an Sicherheit bringen müssen. Sowohl Spielereien als auch eine übermäßige Datensammlung müssen vermieden werden. Der Workshop förderte eine Vielzahl konkreter Anregungen zutage:

Thema Daten

  • „Weniger ist mehr“ gilt für die Darstellung der Daten beim Träger. Es kann sonst schnell zu einer Überfrachtung mit Informationen kommen, die entweder von der eigentlichen Aufgabe ablenken oder schlichtweg ignoriert werden.
  • Die Träger wollen die Anzeige bestimmter Daten gern selbst auslösen.
  • Ein wichtiges Anliegen ist, dass die Systeme biometrische Daten der Träger nicht allgemein und ständig sammeln und speichern.

Thema Funktionalität

  • Die Praxis wünscht sich flexibel auf das jeweilige Einsatzszenario anpassbare Systeme. Dazu sollte die Schutzausrüstung individuell mit geeigneten Sensoren ausrüstbar sein.
  • Aufgrund ihrer Erfahrungen in brennenden Gebäuden hinterfragen die Teilnehmenden das Konzept der Funkverbindung zwischen Sensoren an der Schutzausrüstung und einem zentralen Leitstand. Oft sei es im Einsatz schon schwer, eine stabile Funkstrecke für eine Sprechverbindung aufzubauen.
  • Sehr nützlich können Daten zum Zustand der Schutzausrüstung nach dem Einsatz sein: Welche Reinigung ist nötig und ist das Schutzniveau noch gegeben?

Thema Akzeptanz

  • Alle zusätzlichen Funktionen müssen auf hohem Niveau verlässlich arbeiten und vor dem Einsatz geprüft werden können.
  • Die Bedienung muss praktisch und ergonomisch sein.
  • Es darf kein großer Mehraufwand für Pflege und Wartung entstehen.
  • Die Anwender müssen alle Informationen zu Funktionsweise, Möglichkeiten und Grenzen der intelligenten Elemente erhalten.

Transfer in die Normung

Die Fülle und Breite der Resultate zeigt, dass die Anwender diese Methode zur Sammlung von Erfahrungen und Hinweisen sehr gut annehmen. Die Normung ist aufgefordert, bei der Formulierung entsprechender Anforderungen Experten aus der Praxis eng einzubinden.

Dr. Michael Thierbach
thierbach@kan.de