KANBrief 4/13

Wie gut schützt ein Handschuh?

Gegenwärtig gibt es keine harmonisierte Methode, mit der die Schutzwirkung von Handschuhen gegen Schnitte und Abrieb gut reproduzierbar und vergleichbar geprüft werden kann. Die EN 388:2003 „Schutzhandschuhe gegen mechanische Risiken“ gibt zwar ein Verfahren vor, hat aber erhebliche Schwachstellen und müsste dringend aktualisiert werden. Obwohl dies bereits seit 2007 bekannt ist, konnte sich die WG 8 des CEN/TC 162 bisher nicht darauf einigen, die vorhandenen Lösungsansätze in der Norm umzusetzen.

Für persönliche Schutzausrüstungen ist es erfahrungsgemäß nicht leicht, Prüfmethoden zu finden, aus denen sich die tatsächliche Schutzwirkung ableiten lässt. Um eine geeignete PSA zu ermitteln, ist es in der Regel erforderlich, dass erfahrene Experten einige Produkte in die engere Wahl nehmen und mit den spezifischen Arbeitsplatzbedingungen und den sich daraus ergebenden Kriterien abgleichen. Die aus Normanforderungen abgeleiteten Kennzeichnungen, Leistungsstufen und Benutzerinformationen müssen daher zumindest dafür geeignet sein, eben diese Vorauswahl zu treffen. Genau das ist jedoch für Gefährdungen durch Schnitte und Abrieb seit Jahren nicht möglich.

Schnitt ist nicht gleich Schnitt

Es kann nach der in der EN 388 beschriebenen Schnittschutzprüfung durchaus vorkommen, dass ein Handschuh mit niedriger Leistungsstufe in einer konkreten Arbeitssituation gleich gut oder gar besser schützt als ein Handschuh mit höherer Leistungsstufe. Einer der wesentlichen Gründe dafür ist, dass mineralfaserhaltige Handschuhmaterialien die genormte Klinge so rasch abstumpfen können, dass dann zu hohe Schnittschutzniveaus ermittelt werden. Die Norm gibt jedoch nicht vor, wie eine solche Abstumpfung zu messen wäre und wie das Prüfpersonal entscheiden kann, wann die Messung in Ordnung, eine Klinge zu ersetzen oder gar die Prüfung abzubrechen wäre. Diesbezügliche Anforderungen und weitere Verbesserungsvorschläge wurden in einem internen Entwurf des europäischen Normenausschusses zwar bereits beschrieben. Leider haben diese Lösungen, mit denen die jetzige Situation deutlich verbessert werden könnte, jedoch nie den Status eines unveröffentlichten Arbeitspapiers überschritten. Eine ebenfalls denkbare Variante bestünde darin, in der Norm eine Prüfklinge festzuschreiben, die gleichermaßen für herkömmliche wie für neuartige, z.B. mit Mineralfasern verstärkte, Materialien geeignet ist. Dies hätte allerdings die Folge, dass sich daraus niedrigere Leistungsstufen ergäben als bisher nach der EN 388.

Abrieb ernsthaft prüfen oder Fakten ignorieren?

Auch für die Abriebprüfung besteht Aktualisierungsbedarf. Das in der Norm definierte Schleifpapier ist seit 2007 nicht mehr auf dem Markt erhältlich. Ein Ersatz mit vergleichbaren Eigenschaften, der den Vorgaben der Norm entspricht, wurde offensichtlich nicht gefunden. Daher wird heute europaweit mit unterschiedlichen Schleifpapieren gemessen, so dass die gewonnenen Ergebnisse nicht miteinander vergleichbar sind. Darüber hinaus ist unzureichend beschrieben, wann genau beim Abreiben der Durchbruch durch die geprüften Materialien eintritt.

Eine an sich längst mögliche Lösung wäre ein bereits gefundenes Schleifpapier, das eine bessere Vergleichbarkeit und Reproduzierbarkeit der Abriebwerte gestattet. Wie beim Schnittschutz fanden auch diese Anforderungen bisher nicht den notwendigen Konsens, um in die Norm einzufließen.

Gefährlicher Stillstand der Normung

Die 2003 zuletzt aktualisierte EN 388 wurde trotz der schon seit Jahren vorgeschlagenen Änderungen noch nicht auf einen Stand gebracht, der zumindest als Zwischenlösung von einer harmonisierten Norm zu erwarten wäre. Da für die Gefährdungen durch Schnitte oder Abrieb in vielen Fällen nicht einmal reproduzierbare Produktvergleiche möglich sind, ist anhand der ermittelten Leistungsstufen eine Auswahl geeigneter Schutzhandschuhe für konkrete Arbeitsbedingungen praktisch kaum möglich.

Damit Anwender angemessen geschützt werden und Arbeitgeber ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen können, dürfen Schutzhandschuhe nicht zu gut bewertet und keine irreführenden Benutzerinformationen verbreitet werden. In der augenblicklichen Situation ist nicht nur die Prävention erschwert, sondern auch der Wettbewerb verzerrt. Die KAN wird sich auf nationaler und europäischer Ebene dafür einsetzen, dass die EN 388 die Konformitätsvermutung nicht zu Unrecht auslöst.

Corrado Mattiuzzo
mattiuzzo@kan.de