KANBrief 3/14

18 Jahre im Dienste der Prävention

Nach einer internationalen Karriere in der Industrie war Philippe Jandrot ab 1997 bei der französischen Krankenversicherung für Arbeitnehmer (CNAMTS) tätig und wechselte 2000 zum Nationalen Institut für Forschung und Sicherheit (INRS). Seit 2003 war er dort Direktor für Prävention und leitete in dieser Funktion sämtliche Aktivitäten des INRS zur Umsetzung von Präventionserkenntnissen und -maßnahmen in die Praxis. Er geht am 1. Oktober 2014 in Ruhestand.

Herr Jandrot, was macht Ihrer Ansicht nach eine Präventionskultur aus?

Die Präventionskultur setzt sich aus vielfältigen Bestandteilen zusammen, die im Zusammenspiel zu einer nachhaltigen Prävention führen. Ihre Grundgedanken müssen fest in den Köpfen aller Beteiligten verankert sein. Dazu zählen insbesondere die Erkenntnis, dass Unfälle in der Regel mehr als nur einen Auslöser haben (multikausaler Ansatz), woraus sich wirksame Präventionsmaßnahmen ableiten lassen; die allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung, die in der europäischen Arbeitsschutzrahmenrichtlinie 89/391/EWG (des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit) festgeschrieben sind; die Verantwortung der Unternehmer, sicherzustellen, dass die Prävention integraler Bestandteil all ihrer Aktivitäten ist usw. Zusätzlich sind dabei gewisse Grundwerte zu beachten: die Ausrichtung auf den Menschen, Transparenz, sozialer Dialog. Das INRS beteiligt sich daher am weltweiten Trend zur Entwicklung einer Präventionskultur. Dies war übrigens auch eines der großen Themen beim Arbeitsschutz-Weltkongress im August 2014.

Was kann man tun, um diese Präventionskultur mit Leben zu füllen?

Der Schlüssel liegt unter anderem darin, die Prävention zu einem integralen Bestandteil der Ausbildung zu machen. Die Prävention muss ein Kompetenzbaustein für jeden Berufstätigen sein, egal ob Führungskraft oder einfacher Arbeiter, egal ob auf dem Bau, in der Landwirtschaft, der Metallverarbeitung oder in jeder anderen Branche.

Allerdings braucht es in der Regel zehn bis zwanzig Jahre, bis eine neue Idee umgesetzt ist und tatsächlich gelebt wird. Die Arbeit des INRS stützt sich daher auf langfristig angelegte Projekte. Dabei gilt es, sämtliche Fachgebiete einzubeziehen und die gesamte Bandbreite an Instrumenten so einzusetzen, dass man den Anforderungen der Prävention gerecht wird und den verschiedenen Zielgruppen in den Betrieben die Erkenntnisse, Methoden und Werkzeuge näherbringen kann.

Welche Bedeutung hat für Sie die europäische Zusammenarbeit?

Ich bin überzeugt, dass in der Prävention die Zusammenarbeit der einzige Weg zum Erfolg ist. Sowohl innerhalb des INRS als auch extern kann ein Experte seinen Aufgaben nur dann in vollem Umfang gerecht werden, wenn er seinen Standpunkt mit dem einer Gruppe abgleichen kann. Ich habe daher die Aktivitäten des Netzwerks EUROSHNET immer ausdrücklich unterstützt, zum Beispiel als Vorsitzender des Lenkungsausschusses und bei der Organisation der europäischen Konferenzen in Paris, Krakau und Helsinki. Fundierte fachübergreifende Positionen, die in internationalen Expertengruppen erarbeitet wurden, haben heute im Bereich des Arbeitsschutzes eine enorme Durchschlagskraft.

Dies gilt ganz besonders für den Bereich der Normung. Normen sind ein ausgezeichnetes Werkzeug, um die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz zu fördern. Da sich die Normung zunehmend auf die europäische und internationale Ebene verlagert, ist es auch für die Arbeitsschützer unabdingbar, sich über die Grenzen hinweg abzustimmen, um ihre Positionen durchzusetzen und so weltweit zu mehr Sicherheit am Arbeitsplatz beizutragen.

Welche Herausforderungen stellen sich in Zukunft für den Arbeitsschutz?

Man muss dem Menschen in der Arbeitsumgebung wieder den Platz einräumen, der ihm gebührt! Der vierte Grundsatz zur Gefahrenverhütung der Rahmenrichtlinie 89/391 fordert die „Berücksichtigung des Faktors „Mensch“ bei der Arbeit“. Dieser Grundsatz, dass sich die Arbeit an den Menschen anpassen muss, wird allerdings sträflich vernachlässigt. Bei der Entwicklung zahlreicher neuer Technologien und Systeme wie E-Mail-Diensten, Managementsystemen, Entscheidungshilfen usw. steht viel zu oft der Mensch im Dienste des Systems. Diese Missachtung der Rolle des Menschen ist wahrscheinlich eine der größten Gefahren, denen unsere Gesellschaft heute gegenübersteht.

Herr Jandrot, wir danken Ihnen für dieses Interview und wünschen Ihnen für Ihre künftigen Aktivitäten zu Wasser und zu Lande alles Gute.