KANBrief 2/10

VDI und DIN – Nur ein kleiner Unterschied für den Arbeitsschutz?

Nicht nur klassische DIN-Normen beschreiben den Stand der Technik, zum Beispiel in Bezug auf die Sicherheit von Produkten. Auch mehr als 800 nationale Richtlinien des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) sind anerkannte Regeln der Technik, die unter anderem den Arbeitsschutz betreffen. DIN-Normen und VDI-Richtlinien unterscheiden sich jedoch sowohl in der Erarbeitung als auch in ihrem Stellenwert. Dies bleibt für den Arbeitsschutz nicht folgenlos.

Die Regelungsbereiche von internationalen, europäischen und nationalen Normen des DIN und VDI-Richtlinien können sich überschneiden, zum Beispiel bei der Messung von Schadstoffen in der Luft. Um diese Schnittstellen besser koordinieren zu können und Doppelarbeit zu vermeiden, stimmen gemeinsame Ausschüsse des DIN und des VDI ihre Arbeitspläne ab. Neben den etablierten Normenausschüssen „Akustik, Lärmminderung und Schwingungstechnik im DIN und VDI (NALS)“ sowie der „Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN (KRdL)“ haben sich weitere Gemeinschaftsausschüsse gebildet, zum Beispiel im Bereich von „Qualitätsmanagement, Statistik und Zertifizierungsgrundlagen (NQSZ)“. Ob am Ende der Arbeiten eine DIN-Norm oder eine VDI-Richtlinie stehen wird, sollten die Experten der Gemeinschaftsausschüsse frühzeitig entscheiden.

Für den Arbeitsschutz stellen DIN-Normen eine bewährte Arbeitsgrundlage dar. Ein gutes Beispiel ist die facettenreiche Normung zur Maschinensicherheit. Aber auch VDI-Richtlinien befassen sich mit technischen Sachverhalten des Arbeitsschutzes, zum Beispiel mit Vibrationen oder Lärm. Darüber hinaus dringen VDI-Richtlinien auch in Themen des betrieblichen Arbeitsschutzes vor. So gibt es VDI-Richtlinien zur Organisation der betrieblichen Sicherheit oder zu Befähigten Personen für Arbeitsmittel wie Krane, Leitern oder Flurförderzeuge. Im Bereich des betrieblichen Arbeitsschutzes ist es jedoch unerlässlich, alle interessierten Kreise, insbesondere die Sozialpartner, in die Erarbeitung der Regeln einzubeziehen. Dies begründet den Vorrang des technischen Regelwerks von Staat und Unfallversicherungsträgern im betrieblichen Arbeitsschutz.

DIN-Normen: die bessere Alternative für den technischen Arbeitsschutz

Aus Sicht des Arbeitsschutzes ist die Überschneidung von DIN-Normen und VDI-Richtlinien mit Skepsis zu betrachten. Zwar werden beide nach festen Regeln erarbeitet, allerdings stellt die mehrteilige Normenreihe DIN 8201 wesentlich detailliertere Anforderungen an das Normungsverfahren, als es die 16-seitige VDI 1000 (DIN 820 ff zur Normungsarbeit ) für das Richtlinienverfahren vermag.

Entscheidend aber ist, dass sich die interessierte Öffentlichkeit in die Erarbeitung von VDIRichtlinien nicht in gleicher Weise wie bei DINNormen einbringen kann. Drei Punkte machen das deutlich:

• VDI-Gremien kennen keine „interessierten Kreise“ (Arbeitsschutz, Verbraucher, Hersteller et cetera). Diesen fehlt damit die Möglichkeit, sich nötigenfalls geschlossen gegen eine Norm auszusprechen und damit deren Veröffentlichung zu verhindern oder auf europäischer Ebene den Ausschuss zumindest zu einer Enthaltung zu bewegen (Geschlossenes Votum (pdf, nicht barrierefrei) ).

• Wer einen Einspruch zu einer Norm formuliert, kann das Gremium erfahrungsgemäß eher überzeugen, wenn er seine Argumente auch persönlich erläutert. Nach DIN 820 ist ein Einsprecher zur Einspruchsberatung einzuladen. Laut VDI 1000 braucht ein Gremium dem Einsprechenden jedoch nur „gegebenenfalls Gelegenheit [zu] geben, persönlich vor dem Ausschuss die Einsprüche zu vertreten“ – ein deutlicher Nachteil für die Experten, die ihr Wissen im Zuge der öffentlichen Umfrage einbringen wollen.

• Bei VDI-Richtlinien kann der Arbeitsschutz sich nicht auf den Gemeinsamen Deutschen Standpunkt berufen, der Normung im Bereich des betrieblichen Arbeitsschutzes vom Grundsatz her ausschließt.

Die Veröffentlichung nach den Regeln der DIN 820 ermöglicht dem Arbeitsschutz somit deutlich mehr Einfluss. Nicht ohne Grund erkennt auch die Bundesregierung die zentrale Rolle des DIN für die Normung und deren besonderen Stellenwert für öffentliche Belange wie Sicherheit und Gesundheit an – so beispielsweise in ihrem Normenvertrag mit dem DIN oder ihrem aktuellen normungspolitischen Konzept.

Die KAN empfiehlt, insbesondere in DIN/VDI Gemeinschaftsausschüssen dafür zu votieren, Dokumente mit Arbeitsschutzbezug nach den DIN-Regeln zu erarbeiten. Eine Veröffentlichung als VDI-Richtlinie sollte gründlich überlegt werden.

Angela Janowitz
janowitz@kan.de


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