KANBrief 4/15

Guter Arbeitsschutz braucht gute Instrumente

Neben dem Wandel der Arbeitswelt gab es ein weiteres Leitthema der 5. EUROSHNET-Konferenz in Sevilla: Den Ruf nach stärkerer Zusammenarbeit. Normung, Prüfung und Zertifizierung, Forschung, Marktüberwachung und Regelsetzung sind wichtige Instrumente im Arbeitsschutz, die jedoch nur im Zusammenspiel Wirkung zeigen und mit den neuen Entwicklungen der Arbeitswelt Schritt halten können.

„Kooperation ist im Arbeitsschutz eine Grundvoraussetzung, damit wir unsere gemeinsamen Überzeugungen vertreten und unsere Vorstellungen durchsetzen können“, sagte Raphaël Haeflinger (EUROGIP). Er regte an, neue Schnittstellen zu schaffen und die verschiedenen Instrumente noch enger miteinander zu verzahnen: Beispielsweise benötige die Normung deutlich mehr Rückmeldung von Anwendern und benannten Stellen. Auch der Austausch mit der Forschung müsse systematischer werden, damit Innovationen schnell in die Normung einfließen können. Für die Marktüberwachung wäre es hilfreich, über eine Datenbank direkten Zugriff auf sämtliche EG-Baumusterprüfbescheinigungen zu haben, die von benannten Prüf- und Zertifizierungsstellen ausgestellt wurden.

Marktüberwachung

Damit Vollstreckungsmaßnahmen in allen Mitgliedstaaten wirkungsvoller durchgesetzt werden können, hielte Stefan Pemp (Niedersächsisches Ministerium für Soziales) es für sinnvoll, die Zuständigkeit der Marktüberwachungsbehörden neu zu regeln: Sie solle nicht bei der Behörde liegen, die ein nicht-konformes Produkt auf dem Markt entdeckt, sondern bei der zuständigen Behörde des Herstellers. Diese könne die Maßnahmen wesentlich effektiver steuern, da nur beim Hersteller die nötigen Informationen über Vertriebswege und Abnehmer des Produktes vorlägen.

Einer europaweit einheitlichen Umsetzung von Marktüberwachungsmaßnahmen stehen heute häufig noch Sprachbarrieren im Wege. Um rechtssichere formelle Verfahren zu gewährleisten, schlägt Stefan Pemp vor, auf EU-Ebene einen zentralen Übersetzungsdienst für alle nationalen Marktüberwachungsbehörden einzurichten.

Phil Papard (ehemaliger Vorsitzender der ADCO-Gruppe Maschinen (Europäischer Koordinierungskreis der Marktüberwachungsbehörden im Bereich Maschinen), HSE: Health and Safety Executive) forderte zudem eine bessere informelle Kommunikation und engere Zusammenarbeit auf persönlicher Ebene, zum Beispiel durch Hospitationen der Mitarbeiter in Marktüberwachungsbehörden anderer Mitgliedstaaten. Auch EU-weite gemeinsame Aktionen der Behörden seien wünschenswert.

Prüfung und Zertifizierung

Maschinen werden künftig immer häufiger nicht isoliert, sondern als Teil von vernetzten Systemen eingesetzt, die untereinander kommunizieren und sich gegenseitig steuern. Laut Stefan Ohlhauser (Europäische Koordinierung der notifizierten Stellen für die Maschinenrichtlinie) haben die vollautomatische Produktion und das automatisierte Einrichten zur Folge, dass sich der Fokus der Prüfung und Zertifizierung in Zukunft auf Lebensphasen wie Instandhaltung, Wartung und Störungsbeseitigung verschieben wird.

Auch werde es immer mehr Prüfungen unvollständiger Maschinen geben, die im Betrieb zu neuen Systemen kombiniert werden – auch mit Maschinen anderer Hersteller. Da die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten bei der Prüfung oft noch gar nicht absehbar seien, sind Nachprüfungen im realen Einsatz notwendig. Um ein sicheres Gesamtsystem zu erreichen, ist ein stärkerer Austausch – auch auf internationaler Ebene – zwischen den beteilig-ten Prüfstellen unabdingbar.

Normung

Der Neue Ansatz sieht vor, dass Innovationen über das „Modul Normung“ ständig neu einfließen. Norbert Breutmann (ehemals SAB OHS: Strategisches Beratungsgremium für Arbeitsschutz bei CEN) betonte, dass die Normen aber auch gepflegt werden müssten, um ihren Auftrag zu erfüllen. Insbesondere bei den A- und B-Normen im Bereich Maschinen gestalte sich die Überarbeitung jedoch schwierig, da es an Experten und finanziellen Ressourcen mangele. Eine Förderung durch die Europäische Kommission sei hier wünschenswert.

Um die Qualität der Normen langfristig zu sichern, müssen laut Norbert Breutmann bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sein: ausreichend Zeit für die Konsensbildung sowie eine angemessene Beteiligung der Experten. Gerade für den Arbeitsschutz seien europäische Netzwerke unabdingbar. So wäre es denkbar, dass beispielsweise ein finnischer Experte die französische Position im Normungsgremium mit vertritt. Der Idealfall wäre eine europäische Einrichtung, die diese Arbeitsteilung zentral koordiniert.

Sonja Miesner
miesner@kan.de

Michael Robert
robert@kan.de