KANBrief 1/14

Strategische Ausrichtung der Normung

Jean Jacques ist seit dem Jahr 2000 CEN-Consultant für Lärm (Maschinenrichtlinie) und blickt auf 35 Jahre Tätigkeit beim französischen Arbeitsschutzinstitut INRS zurück, zunächst im Schall-Labor, dann im Bereich Normung. In seinem Berufsleben hat er einige wichtige Punkte ausgemacht, die verbessert werden müssten, damit Produkte sicherer werden und der Arbeitsschutz in der Normung besser zur Geltung kommt.

Wie fällt Ihre Bilanz nach 35 Jahren als Arbeitsschutzexperte in der Normung aus?

Sehr positiv und gleichzeitig vielseitig. Der Neue Ansatz hat zwischen Gesetzgebung und Normen eine enge Verbindung geschaffen und Normen zu einem nicht mehr wegzudenkenden Werkzeug der Prävention gemacht. Besonders hervorzuheben sind: die wichtige Grundnorm EN ISO 12100, die die europäischen Arbeitsschutzexperten auf die internationale Ebene gehoben haben; die über 700 europäischen Normen, die praktisch alle Maschinengruppen abdecken; das Krakauer Memorandum (von EUROSHNET: Normung für sichere Produkte) mit seinen Vorschlägen zur Verbesserung der Prävention, die man regelmäßig zu Rate ziehen und auch Neueinsteigern im Arbeitsschutz mit auf den Weg geben sollte; das Anliegen, mit dem Netzwerk EUROSHNET und seinen Konferenzen die Kommunikation zwischen Arbeitsschutzexperten zu fördern; das Interesse der europäischen Behörden an der Verbesserung der Normung, das sich an der EU-Verordnung 1025/2012 zur Normung zeigt; die Bereitschaft der Mitgliedstaaten, bei der Marktüberwachung eng zusammenzuarbeiten; die zunehmende Zahl an Normungsthemen mit Bezug zum Arbeitsschutz, zum Beispiel zu Dienstleistungen und Arbeitsschutzmanagement.

Es bleibt jedoch noch einiges zu tun. Die Maschinensicherheitsnormen behandeln zwar die mechanischen und elektrischen Gefährdungen und den Lärm – nicht zuletzt dank der CEN Lärm- Consultants, so hoffe ich! Doch andere Gefährdungen werden allenfalls angerissen: Ergonomie, Staub, Gefahrstoffe. Wichtig ist auch, dass der Arbeitsschutz weiter präsent bleibt, insbesondere beim Übergang der Normung auf die internationale Ebene. Die aktuelle Tendenz, alles zu normen, fordert zudem vom Arbeitsschutz ein hohes Maß an Wachsamkeit. Eine weitere ständige Herausforderung besteht darin, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Normen auch angewendet werden.

Gibt es denn Hinweise dafür, dass Normen unzureichend angewendet werden?

Die NOMAD-Studie zu Lärmemissionen von Maschinen spricht eine deutliche Sprache: 80% der 1500 überprüften Betriebsanleitungen von Maschinen verstoßen gegen geltendes Recht (Documentation on NOMAD), obwohl die Sicherheitsnormen vorgeben, was in der Anleitung zu stehen hat! Hier stehen alle Betroffenen in der Verantwortung: in erster Linie die Hersteller, aber auch Anwender, Einkäufer, Behörden, Arbeitsschutzexperten und notifizierte Stellen.

Lässt sich am Normungsverfahren selbst noch etwas verbessern?

Eine wichtige Regel, auf deren Einhaltung die CEN-Consultants strikt achten, ist die Verpflichtung, in einer Norm eindeutig anzugeben, welche Gefährdungen abgedeckt sind. Einer Norm ist in den seltensten Fällen das Glück beschieden, dass sie von denselben Experten überarbeitet wird, die sie erstellt haben. Daher kam die Idee auf, die Entstehungsgeschichte jeder Norm festzuhalten und so mehr Transparenz zu schaffen. Die Idee stieß auf große Zustimmung, es hapert jedoch an der Umsetzung.

Auch ist es trotz aller Anläufe noch nicht gelungen, Rückmeldungen der Normanwender systematisch und effizient anzuregen, zu erfassen und auszuwerten. Möglicherweise fehlt einfach der politische Wille, die hierzu nötigen Maßnahmen und Instrumente dauerhaft zu verankern. Es wäre vielleicht eine gute Idee, auf Seite 1 jeder Norm eine E-Mail-Adresse anzugeben, an die der Anwender Probleme bei der Umsetzung, entdeckte Unzulänglichkeiten oder Verbesserungsvorschläge melden könnte.

Wie kann der Arbeitsschutz effizienter werden?

Vorsicht ist besser als Nachsicht. Der Arbeitsschutz sollte daher möglichst schon einbezogen werden, wenn die EU-Kommission Normungsaufträge erarbeitet. So könnte man dafür sorgen, dass ein Mandat alle Angaben enthält, die für die Erarbeitung sicherer Produktnormen notwendig sind.

Angesichts der zunehmenden Internationalisierung der Normung ist es zudem wichtiger denn je, dass wir Arbeitsschützer in Europa eng zusammenarbeiten. Ein Hauptziel von EUROSHNET ist es, den Weg zu bereiten, damit auf lange Sicht der Arbeitsschutzexperte eines Landes in einem Normungsgremium die Meinungen anderer Länder mit vertritt. Nun fehlt nur noch ein geeignetes Instrument, um diese Arbeitsteilung zu organisieren und zu koordinieren.