KANBrief 4/20

Therapieliegen: sicher auf und ab

Nach mehreren tödlichen Unfällen an elektrisch höhenverstellbaren Therapieliegen organisierte die KAN Anfang 2019 ein Fachgespräch zur sicheren Gestaltung von Therapieliegen. Die beteiligten Kreise haben ihre Positionen ausgetauscht und einige Arbeiten angestoßen, um die Gefahr an bestehenden und neuen Liegen zu reduzieren. Das 2. KAN-Fachgespräch im Oktober 2020 hat gezeigt, dass Wichtiges passiert ist, aber auch noch einiges zu tun bleibt.

Elektrisch höhenverstellbare Therapieliegen sind unersetzlich für Krankenhäuser und Physiotherapiepraxen. Die Höhenverstellung erleichtert Patienten das Auf- und Absteigen und ermöglicht dem Behandelnden, eine ergonomische Haltung einzunehmen. In der Vergangenheit kam es bei Unfällen mit diesen Liegen zu Quetschungen, Frakturen und sogar zum Tod von Beschäftigten. Bei den tödlichen Unfällen hatten die Beschäftigten versehentlich die am Boden befindliche Höhenverstellung mit dem Knie betätigt, die Liege fuhr herunter und klemmte die Beschäftigten ein.

Was ist seit dem 1. Fachgespräch passiert?

Die beteiligten Kreise (Unfallversicherungsträger, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Länder, Betreiber, Sozialpartner, Normung) haben im Fachgespräch 2019 verschiedene Aufgaben übernommen, die die Therapieliegen in Zukunft sicherer machen sollen. Eine dieser Aufgaben war die Überarbeitung der BfArM-Empfehlung zu automatisch höhenverstellbaren Therapieliegen aus dem Jahr 2004. In dieser Empfehlung wurde als eine mögliche technische Lösung eine Sperrbox genannt, mit der der Bediener die Höhenverstellung bewusst deaktivieren muss, indem z.B. ein Stift aus der Sperrbox gezogen wird. Dies soll eine versehentliche Höhenverstellung verhindern. Aufgrund dieser Empfehlung haben viele Hersteller Sperrboxen eingesetzt, und viele ältere Liegen wurden mit Sperrboxen nachgerüstet. Einer der tödlichen Unfälle geschah jedoch an einer Liege, die mit einer Sperrbox ausgestattet war – der Stift war nicht herausgezogen worden.

Die BfArM-Empfehlung wurde inzwischen überarbeitet, vor allem in Bezug auf neue Liegen. Danach „haben sich gewählte Lösungen nach dem Prinzip der integrierten Sicherheit zu richten und sind damit möglichst zentral im Design des Produktes zu verankern, also auf der Ebene des Hub- und Antriebssystems“. Konkrete Beispiele wie in der alten Empfehlung werden nicht mehr erwähnt. Zu den Bestandsliegen wird auf die Empfehlung von 2004 – und damit unter anderem auch auf die Lösung der Sperrbox – verwiesen.

Die für die Marktüberwachung von Medizinprodukten verantwortlichen Länderbehörden haben ein Informationspapier zu einem gemeinsamen Vorgehen vorbereitet. Wenn dieses Papier verabschiedet ist, werden die Länder mit den Unfallversicherungsträgern ein einheitliches Vorgehen für die Überwachung abstimmen.

Das Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) hat ein Projekt begonnen, in dem verschiedene technische Möglichkeiten zur Gestaltung sicherer Therapieliegen bewertet und praktisch getestet werden. Die Ergebnisse sollen in die Normung einfließen.

Bisher gab es keine konkrete Produktnorm für Therapieliegen. Das zuständige Normungsgremium der Deutschen Kommission Elektrotechnik (DKE) hat nun einen internen Entwurf für eine deutsche Vornorm zu Therapieliegen erarbeitet. Langfristig wird eine Norm auf europäischer und internationaler Ebene angestrebt.

Reger Austausch und neue Aufgaben

Die Spannweite der im 2. Fachgespräch diskutierten Themen war groß: Hersteller befürchten eine Wettbewerbsverzerrung, wenn sie sicherere, aber dadurch teurere Liegen anbieten als andere Hersteller. Wie kann besser kommuniziert werden, dass integrierte technische Lösungen eine höhere Sicherheit bieten? Mehrere Kreise arbeiten an Informationen für unterschiedliche Adressaten. Wie können die verschiedenen Kreise mit einer Stimme z.B. in Richtung der Anwender sprechen? Was müssen Arbeitgeber bei ihrer Gefährdungsbeurteilung bei Therapieliegen beachten? Müssen bereits mit einer Sperrbox nachgerüstete Liegen gegebenenfalls nochmals nachgerüstet werden? Wer bezahlt eine Nachrüstung?

Um diese Fragen zu klären, haben sich auch diesmal Teilnehmende bereit erklärt, Aufgaben zu bearbeiten, z.B.:

  • Die Teilnehmenden werden den gremieninternen Entwurf der Vornorm kommentieren.
  • Die Kommunikation zwischen den beteiligten Kreisen und nach außen soll verstärkt werden.
  • Eine Mustergefährdungsbeurteilung für Arbeitgeber soll erarbeitet werden.

In einem Jahr wird die KAN-Geschäftsstelle den Bedarf für ein 3. Fachgespräch abfragen.

Dr. Anna Dammann
dammann@kan.de